Erfolgsmodell „Meißen“ auch für die Oberlausitz

N.K. Bautzen hatte vor einiger Zeit Besuch aus Meißen. Es war nicht nur ein Freundschaftstreffen, sondern es war das Interesse an der Entwicklung der Stadt, die die Meißener...

1969
1969
Meißener Oberbürgermeister Olaf Raschke
N.K.

Bautzen hatte vor einiger Zeit Besuch aus Meißen. Es war nicht nur ein Freundschaftstreffen, sondern es war das Interesse an der Entwicklung der Stadt, die die Meißener Abordnung nach Bautzen lockte. Denn viele städteplanerischen Ideen und Maßnahmen von Bautzen und Meißen laufen parallel. Auch in Meißen sind es, neben einer florierenden Wirtschaft, der Tourismus und neue Einkaufsmöglichkeiten, auf die das Stadtmarketing in der Außenwirkung setzt. Und so war die Meißener Abordnung beispielsweise zu Gast im Kornmarktcenter und zu Gesprächen in der Stadtverwaltung. Am Ende waren die Gäste überzeugt, dass ein Einkaufszentrum der Stadt eher nützen wird als Schaden. Warum das so war und was den Erfolg der Stadt Meißen ausmacht, darüber sprach der Bautzener Bote mit Oberbürgermeister Olaf Raschke.

Herr Raschke, Ihre Stadt hat sich für den Bau eines Einkaufszentrums entschieden. Warum hatten Sie den Eindruck, dass ein Einkaufszentrum für die Einzelhändler eine Stärkung sein kann?

Der Besuch in Bautzen hat uns sehr geholfen. Wir fanden den Vergleich ganz spannend. Bautzen hat einen größeren Einzugsbereich als wir, weil bei uns die Nähe zur Landeshauptstadt noch mehr gegeben ist. Wir haben mit der Verwaltung gesprochen: Was habt ihr beachten müssen? Was war mit Wirtschaftsförderung? Wen habt ihr einbezogen? Wie war die Abstimmung mit den Altstadthändlern? Auch in Meißen gab es Bedenken. Die einen haben befürchtet, dann bleibt die Kundschaft weg, die anderen haben gesagt, man zieht damit neue Kunden an. Bei uns war es damals so: Der Stadtrat hat für unser Einkaufszentrum einen Größenmix beschlossen. Wir wollten wenig kleine Geschäfte. Nur 5 Prozent sind Flächen bis 100 qm und 15 Prozent bis 250 qm. Wir haben dann wirklich großflächigen Einzelhandel. So entstehen Synergien der großen Geschäfte mit dem davorliegenden Einzelhandel in der Altstadt. Ob für Bautzen ein weiteres Einkaufszentrum verträglich ist, kann ich aber nicht einschätzen.

Wie arbeitet die Stadt zu?

Nach zwanzig Jahren fangen wir jetzt an mit einer städteplanerischen Bereinigung. Damals lagen die verfügbaren Flächen für den Einzelhandel außerhalb der Stadt. Heute wollen wir die Versorgungssituation wieder in das Zentrum holen, damit die Leute nicht zum Einkaufen nach Außerhalb fahren und aus der Stadt weg sind. Die Wegebeziehungen zwischen Innenstadt und Fachmarktcenter werden sich völlig neu präsentieren. Wir bauen sie mit dem Fachmarktzentrum mit um. Es gab intensive Gespräche mit den Eigentümern. Die Lage der Immobilien wird für Investoren plötzlich interessant. Die Gassen werden plötzlich eine „Lauflage“. Es entstehen viele neue Geschäfte. Häuser, die lange nicht verkauft werden konnten, werden jetzt nicht mehr verkauft. Die Erwartungen sind sehr groß.

Die Stadt ist insgesamt gut vorangekommen. Was tut sich für die Meißner?

Wir wollen die Stadt auch liebenswert machen für die Meißner und für die, die wir dazu gewinnen wollen. Meißen wird als Wohnstadt an Attraktivität gewinnen. Dazu gehörte nicht zuletzt der Schuldenabbau und eine Planung mit realistischen Zahlen. Ein Strauß von Maßnahmen ermöglichte eine Reduzierung der Schulden um 20 Mill Euro in den letzten sieben Jahren. Dazu gehört aber auch bspw. die neue S-Bahn-Anbindung an die Landeshauptstadt, die bis spätestens 2015 komplett fertig sein soll. Die S-Bahn wird im Straßenbahn-Takt fahren. Die Fahrzeit wird sich von 45 auf 20 Minuten verringern. Das macht Meißen interessanter als Wohnstandort. In der Stadt gibt es übrigens mehr Arbeitsplätze als arbeitsfähige Einwohner. Was viele nicht wissen: Es pendeln mehr Menschen nach Meißen als aus Meißen heraus.
Sicher hat die gute Entwicklung auch mit der Kreisgebietsreform und der Konzentration vieler Behörden in der Stadt zusammen. Gleichzeitig sind aber auch viele neue Betriebe entstanden. Unser Gewerbegebiet ist fast voll und wir suchen neue Flächen. Wir haben den ansässigen Betrieben den roten Teppich ausgerollt und sind aktiv auf der Suche nach neuen Betrieben. Die Zukunft liegt unter vielen anderen erfolgreichen Branchen in der Keramik. In der Region gibt es viele Rohstoff-Lagerstätten. Wir haben Hochofenkeramik, Sanitärkeramik, medizinische und technische Keramik. Im europaweiten Wettbewerb stehen wir mit der Produktion von Stromladesäulen. Die Tausendste ging vor zwei Wochen vom Band. Wir sind froh über die Innovations- und Ingenieurskraft hier am Standort. Doch es geht nicht nur um eine internationale Ausrichtung, sondern auch um die Stabilität des regional agierenden Mittelstandes. Dem entsprechend ist Meißen intensiv auf der Suche nach Auszubildenden. Und wir möchten mit Blick auf die Demografie dafür sorgen, dass die jungen Menschen nach ihrer Ausbildung in Meißen bleiben. Für ein aktives Leben in der Stadt sorgen u.a. 38 Sportvereine und unzählige Kunst- und Kulturschaffende. Die entgegen dem Trend steigende Geburtenrate spricht für die Stadt und bestärkt unsere Bemühungen um den weiteren Ausbau des Bildungsstandortes Meißen. Auch eine Kita haben wir neu gebaut, neben dem Ausbau zweier bestehender.

Herr Raschke, warum sollte der Bautzener Meißen besuchen?

Meißen ist geprägt von den touristischen Highlights: Wir haben mit dem Porzellan eine weltweite Bekanntschaft. Das nutzen wir gezielt und gemeinsam. Wir haben den mit einem neuen Parkplatz ausgestatteten Burgberg mit der Albrechtsburg und ihren Ausstellungen zum Sehen, Staunen und Anfassen, das zusammenhängende Altstadtensemble und die Dampfschifffahrt, das Theater mit 200 Vorstellungen im Jahr, das Erlebnisbad mit Riesenrutsche, einen liebevoll gepflegten Heimattiergarten, ein Speed-Skate-Stadion und vieles mehr. Ergänzt werden die Highlights durch den Elbe-Radweg, der sieben Mal nacheinander beliebtester Radweg Deutschlands wurde. Man fährt hier durch eine unberührte, urwüchsige Landschaft. Wir sind ein bekanntes Weinbaugebiet und erleben regelmäßig so beliebte Veranstaltungen wie das Oldtimerrennen und das alljährliche Weinfest, das am letzten Septemberwochenende wieder viele Besucher in unsere Stadt locken wird.

Vielen Dank, Herr Raschke, für das Gespräch.

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