Es wird kolportiert, dass man in deutschen Regierungskreisen nach dem Amtsantritt von Beata Szydlo politisch etwas verschnupft war, weil die neue polnische Ministerpräsidentin nicht gleich in den Tagen darauf ihre Honneurs in Berlin gemacht hatte. Diese Ehre wurde stattdessen zuerst dem kleineren Nachbarn, der Tschechischen Republik, zu teil. Erst mehrere Wochen später besuchte Beata Szydlo schließlich doch Angela Merkel.
Inzwischen war viel Wasser die Oder und Neiße heruntergeflossen und, bildlich gesprochen, manches Stück Porzellan in den gegenseitigen Beziehungen zerschlagen worden. Auf deutscher Seite kritisierte man die innenpolitische Entwicklung in Polen und holte sich dazu gleich noch EU-Gremien mit ins Boot. Was jenseits der Friedensgrenze nicht gut an kam und schroffe Reaktionen provozierte. Zudem ließ man dort kein gutes Haar an der deutschen Flüchtlingspolitik, die man schlicht als gescheitert betrachtet.
Dann gab es am 12. Februar das Treffen von Merkel und Szydlo in Berlin. Die „Sächsische Zeitung“ überschrieb am Tag darauf einen Beitrag mit „Polens Regierungschefin meidet in Berlin kritische Themen“. Was nur zur Hälfte stimmte, denn im abgedruckten Text steht, dass beide Politikerinnen weitgehend kritische Themen vermieden. Aber solche Diskrepanzen zwischen Schlagzeile und Text sind (gewollt oder nicht) keinesfalls selten. Die „Frankfurter Allgemeine“ brachte es dagegen auf den Punkt: „Inszenierte Harmonie“.
Geht also gar nichts mehr in den deutsch-polnischen Beziehungen? Ist Polen für Deutschland als Partner vorerst verloren? (Das war u.a. eine Frage der FAKT-Sendung am Montagabend im MDR-Fernsehen.) Nun, da gibt es noch den so oft gescholtenen Freistaat Sachsen und dessen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich. Diesem war es unlängst vorbehalten, gemeinsam mit Hartmut Fischer, dem Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, vor Ort zwei historisch wertvolle Möbelstücke an das Schloss Wilanow bei Warschau zurückzugeben. Eine ohne größere Umstände geklärte Beutekunst-Sache. Und da öffneten sich manche Türen eben nicht nur, weil die Exponate so sperrig waren. Auch polnische Politiker stehen gern im Rampenlicht und finden bei solchen Anlässen verbindliche Worte. Sie hören dann sicher auch besser zu.
War es aber nun der Sorbe aus dem zwischen Bautzen und Kamenz gelegenen Panschwitz-Kuckau, war es der sächsische Ministerpräsident oder war es der gegenwärtige Präsident des Bundesrates, der nicht ganz konform mit der Berliner Sprachregelung konstatierte: „Polen ist eine Demokratie, und als Demokrat achte ich die Wahl der polnischen Staatsbürger“ (Zitat: „SZ“ vom 18.2.16). Stanislaw Tillich fügte noch hinzu, „die Polen haben dies so gewollt“. Der Warschauer SZ-Korrespondent vermerkt übrigens in diesem Beitrag, dass sich daran aktuell auch nichts geändert habe. Die neue polnische Regierung hätte bei Meinungsumfragen tendenziell sogar eher zugelegt. Das las und hörte man hierzulande schon anders.
Andererseits wissen wir, dass die Politik der National-Konservativen im Nachbarland auch große Gegendemonstrationen herausforderte. In der erwähnten FAKT-Sendung war man sich im Prinzip da einig: Die polnische Gesellschaft ist gespalten, die Menschen interessieren sich wieder für Politik, sie tragen den Protest auf die Straße. Das sollte uns in Deutschland doch bekannt vorkommen. Die Polen scheinen jedenfalls sehr wohl in der Lage zu sein, mit sich selber klarzukommen.
Was sie nicht brauchen, sind außenpolitische Belehrungen ex cathedra. Und mit ihnen zu schmollen, wenn sie sich das verbitten, bringt ebenso wenig. Wer stattdessen miteinander im Gespräch bleibt, kann ganz unaufgeregt über alles reden. Stanislaw Tillich hat es jüngst vorgemacht. Na gut, kleine Geschenke erhalten natürlich auch die Freundschaft.
Hans-Georg Prause
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