„So ist das – beim Kinderkriegen“

M.D. 5.42 Uhr am 10.10 2011. Der kleine Bjarne ist da. Sein Weg auf diese Welt war anstrengend, für ihn ebenso wie für seine Mutter Elisa. Eine gehörige...

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Anselm und Bjarne
M.D.

5.42 Uhr am 10.10 2011. Der kleine Bjarne ist da. Sein Weg auf diese Welt war anstrengend, für ihn ebenso wie für seine Mutter Elisa. Eine gehörige Portion Erstaunen glitzert in Elisas Augen: über diesen unfassbaren Schmerz, der manchmal erträglich, manchmal übermächtig war; über die Stärke, jetzt Verantwortung zu übernehmen und die eigenen Grenzen zu ignorieren; und über dieses zarte Wesen, das sich mit so viel Kraft in diese verrückte Welt hinaus geschoben hat. Ich durfte dabei sein. Und es war eine jener verzauberten Nächte, die einem in ihrer Wunderhaftigkeit so selten geschehen und so fest in Erinnerung bleiben.

22.07 Uhr am 9.10.2011. Als das Handy klingelt, durchschießt der Muntermacher Adrenalin meinen Körper. „Ich glaube, jetzt geht’s los.“ Mit diesen Worten erlöst mich meine Freundin Carmen am sonntäglichen Abend von einer fast zweiwöchigen Wartezeit, denn der kleine Bjarne hatte unsere Geduld ganz schön auf die Probe gestellt. „Ich komme zu euch“, sage ich.

22.30 Uhr. Zuhaus bei den Beyers herrscht wissende Besonnenheit. Für Carmen wird es nach drei eigenen Kindern nun das dritte Enkelchen werden. Ihre Tochter Elisa wird zwar zum ersten Mal Mutter, weiß sich aber in guten Händen. Und das liegt besonders an Hebamme Simone Töppel-Pillokat, die einst bereits Elisa sowie ihren Bruder Tony und ihre Nichten Lydia und Louisa auf die Welt holte. „Simone ist unsere Familienhebamme“, erklärt mir Carmen schmunzelnd. Simone Töppel-Pillokat ist Beleghebamme am Seenlandklinikum in Hoyerswerda. Sie bietet den Frauen in selbstständiger Tätigkeit die Sicherheit einer ganzheitlichen Betreuung und die Erfahrung aus 30 Jahren Berufsleben und über 3000 Geburten.

22.57 Uhr. Ankunft in der Klinik. Ich bin aufgeregt, aber nicht nervös. Carmen ist stiller als gewöhnlich. Uns eint die Bewunderung für Elisa, die unter heftigen Schmerzen noch immer versucht zu lächeln, wenn Simone es ihr aufträgt. „Ist der Mund entspannt, ist der Gebärmuttermund entspannt“, zitiert die Hebamme eine asiatische Weisheit. Doch irgendwann ist es vorbei mit dem Lächeln. Es tut eben weh. „SO ist das – beim Kinderkriegen“, sagt Simone. Sie wird diesen Satz in dieser Nacht ab und an wiederholen. Denn er ist die Antwort auf die Frage „Wie weh wird es tun?“, die Erstgebärende immer stellen und die ihnen niemand beantworten kann. Weil Geburtsschmerzen nun mal nicht zu beschreiben sind.

0.44 Uhr. „Das tut so weh“, beschwert sich die werdende Mutter. Und so werden verschiedene Strategien probiert. Das Hüpfen auf dem Ball. Wohltuende Rückenmassagen. Stehen, Sitzen, Knien, Liegen. Linderung ist nur von momentaner Dauer. Dann ist er wieder da, der treibende Schmerz. Elisa muss sich damit abfinden, soll ihn akzeptieren, sich nicht selbst bedauern,. Denn das bringt sie und den Kleinen nicht weiter. Eine Schmerzspritze verschafft zeitweise Erleichterung, hemmt aber auch den Antrieb ein wenig.

2.14 Uhr. Simone erinnert: „Das Lächeln zwischendurch nicht vergessen. Wenn Du nicht locker lässt, funktioniert das nicht. Du musst Dich mit dem Kind hier draußen verabreden.“
2.37. Elisa atmet deutlich heftiger.
3.25 Uhr. Die ersten Presswehen. „Es ist nur noch ein Geduldsspiel“, ermutigt die Hebamme.

5.00 Uhr. Der werdende Vater Anselm Puchert trifft mit seiner Mutter ein. Er war mit eintretender Wehentätigkeit in Greifswald, dem Wohnort der kleinen Familie, losgefahren. Und auf ihn schien Bjane nur gewartet zu haben. Denn plötzlich geht es zügig voran.

5.26 Uhr. Der Anruf der Hebamme bei der diensthabenden Ärztin schafft Gewissheit für unser kleines Team: „Unser Baby kommt dann gleich“, spricht Simone die erlösenden Worte in den Telefonhörer. Die Ärztin kommt. Mit vereinten Kräften und unter dem mitleidend verzehrten Gesicht von Oma Carmen erblickt der kleine Bjane das Licht der Welt. Wütend schreit er seinen Protest in den Saal.

Vater Anselm, der nun herein geholt wird, kann seinen Sohn noch überglücklich in die Arme nehmen, bevor ihm der Kreislauf versackt. Macht nichts: dem Kind geht’s gut. Es kann seinen frischen Sauerstoff getrost mit Papa teilen. Alle schmunzeln. Die Stimmung ist heiter und zukunftsschwanger. Es ist ein guter Empfang für den kleinen Bjarne in dieser verrückten Welt. Simone Töppel-Pillokat lächelt: „SO ist das eben – beim Kinderkriegen.“

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