Na, das hörte sich doch an wie ein Machtwort: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wolle sich nun höchstpersönlich den Bombardier-Konzern vornehmen. Das global aufgestellte kanadische Unternehmen hatte vorigen Herbst angekündigt, den Stellenabbau an seinen Standorten in Deutschland fortzusetzen. Die Fahrzeugbau-Sparte sollte es dabei besonders hart treffen, also Bautzen und Görlitz in Ostsachsen sowie das brandenburgische Hennigsdorf. Die Weichen dafür waren schon viele Monate vorher gestellt worden. Wer wollte und guten Glaubens war, konnte Mitte Dezember etwas Hoffnung mit der groß aufgemachten Ankündigung verbinden: „Gabriel macht Bombardier zur Chefsache“.
Inzwischen hat der „Chef“ allerdings sein Ministerium verlassen; das ging ganz schnell. Und politischen Ballast wie Kanzlerkandidatur und SPD-Parteivorsitz wurde er dabei gleich mit los. In Sachen Postenverteilung haben Kanzleramt und Parteizentralen in Berlin zu gewissen Zeiten entfernte Ähnlichkeiten mit einem Verschiebebahnhof. Da wird eine ehemalige Familienministerin schnell mal zur Oberkommandierenden der Bundeswehr, also gewissermaßen zur Mutter der Kompanie. Gabriels Nachfolgerin Brigitte Zypries war mal Justizministerin, zuletzt aber wenigstens Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Allerdings dürfte sie nur eine Zwischenlösung sein, wie der „Tagesspiegel“ vermutet. Das Bombardier auf ihrer Agenda weit oben steht, darf bezweifelt werden.
Sigmar Gabriel ist zu wünschen, als neuer Außenminister auf dem internationalen Parkett erfolgreicher zu sein, als in Sachen Bombardier Transportation. Vielleicht wollte er ja „den Schröder machen“, als er sich für den Erhalt der Bombardier-Arbeitsplätze zu engagieren begann. Der damalige SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder schaffte es im Herbst 1999, den angeschlagenen Baukonzern Holzmann zu retten. Als Bundeskanzler ließ er ein entsprechendes Hilfspaket schnüren. Koste es, was es wolle. Er kassierte dafür den Beifall der Holzmann-Belegschaft. Bezahlen mussten später andere dafür. Die Pleite des Konzerns war nur aufgeschoben.
Mit seiner Initiative gegen den Job-Abbau bei Bombardier wollte auch Sigmar Gabriel politisch punkten. Ein Gipfeltreffen mit Managern des Unternehmens Anfang Januar trübte jedoch allzu große Zuversicht. Es gab wenig Konkretes. Und dass die Politik alles ihr Mögliche tun werde, um Arbeitsplätze zu sichern, wie bei diesem Anlass verkündet wurde, ist doch wohl deren verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Rund 2500 Jobs sind bei Bombardier in Deutschland gefährdet, so resümiert letztlich das „Handelsblatt“.
Dabei waren bereits das gesamte vorige Jahr über – auch und gerade in Ostsachsen – insgesamt 1430 Jobs abgebaut worden. Es gab keine Massenentlassungen, deshalb blieben die Proteste auf die Region begrenzt. Beruhigungspillen verteilten die IHK und die Arbeitsagentur. Der lokale Arbeitsmarkt warte nur auf Facharbeiter bzw. es gebe neue Berufsperspektiven. Zuerst traf es zudem die Leih- und Zeitarbeiter. Und diese haben bekanntlich kaum eine Lobby. Obwohl es so viele Leiharbeiter wie noch nie in Deutschland gibt – fast eine Million Menschen! Und wo sind besonders viele angestellt? Genau, im Maschinen- und Fahrzeugbau. In Görlitz mussten auch Ingenieure gehen. Wer jedoch auf technisches Know-how verzichtet, hat die Zukunft abgeschrieben. Wird hier ein Traditionsstandort des Waggonbaus zur verlängerten Werkbank demontiert?
Die Politik hatte zu alledem nicht viel zu sagen. Es gab im April eine Debatte im Sächsischen Landtag. Wie der MDR damals berichtete, habe Wirtschaftsminister Martin Dulig den Bombardier-Managern „ins Gewissen geredet“. Die Ansage, dem Unternehmen ohne Standort-Garantien für Bautzen und Görlitz weitere staatliche Unterstützungen zu entziehen, war eine eher halbherzige Drohung. Insbesondere deshalb, weil Dulig zugab – ob nun ehrlichen Herzens, bereits resignierend oder aber aus Kalkül: „Wir werden nicht alle Arbeitsplätze erhalten können.“
Bei dieser Landtags-Aussprache musste übrigens Bombardier gleich mal als schlechtes Beispiel für wirtschaftliche Förderpolitik in Sachsen herhalten. Das Unternehmen habe seit 2007 rund 8,5 Millionen Euro an Fördermitteln vom Freistaat erhalten. Vielleicht sei es kein Zufall, das meinen jedenfalls die Grünen, dass der enorme Stellenabbau jetzt erfolge, da verbindliche Fristen gerade abgelaufen sind. Die Linken fragten, wofür die Fördermittel überhaupt gedacht waren. Die Antwort aus dem Wirtschaftsministerium verwies auf den Aufbau eines neuen Werkes, nur habe sich inzwischen die Marktlage geändert. Ein Spötter merkte da an, dieses Geld habe Bombardier vielleicht für das neue Werk in Wien gebraucht. Es wird schon lange gemunkelt, der in Ostsachsen ansässige Straßenbahnbau solle dorthin verlagert werden. Ein Gerücht, das auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann zur Kenntnis nahm und für erwähnenswert hielt, als er kürzlich in Bautzen bei Bombardier vorstellig wurde und Gespräche führte. Von „zur Chefsache machen“ war allerdings keine Rede.
Seitens der Gewerkschaft und des Betriebsrates gab es bislang wenig mehr als nur lokal begrenzte Proteste wie die von insgesamt rund 1800 Bombardier-Mitarbeitern Mitte Dezember vor den Werktoren in Bautzen und Görlitz oder zuvor Ende November bei der Branchenkonferenz der IG Metall. Der für Ostsachsen zuständige Jan Otto gab sich dort kämpferisch: „Gibt es bis Ende des Jahres kein klares Bekenntnis zu den Standorten … sehen wir uns im Januar vor den Toren. Und dann wird es nicht bei kurzen Aktionen bleiben!“
Also das mit dem Januar, das wird nun nichts mehr. Laut „Focus“ will die IG Metall jetzt aber wirklich an den Bombardier-Standorten Druck machen. Klar, erst wird noch mal geredet. „Wir möchten bis März mit einem Standortsicherungskonzept in die Debatte mit dem Unternehmen gehen. Wenn es die Kooperation ausschlägt, gibt es die rote Karte“, so wird erneut Jan Otto, Chef der IG Metall Ostsachsen, zitiert.
Vielleicht ist es nur Gewerkschaftsromantik, dass die Belegschaften aller Bombardier-Standorte gemeinsame Aktionen für ihre Kollegen durchführen. Es wird kaum erwähnt, aber die Kanadier haben auch Werke in Kassel, Mannheim und Siegen. Der Stellenabbau betrifft jedoch vor allem Bautzen, Görlitz und Hennigsdorf. Wurden die Ostsachsen bereits auf ein Abstellgleis geschoben?
Jedenfalls passt es ganz gut, dass Sigmar Gabriel Ende dieses Monats in Hamburg den kanadischen Premierminister Trudeau treffen wird. Vielleicht fasst er sich bei dem seit 1356 ausgetragenen Matthiae-Festmahl ein Herz und sagt: „Justin, ich steh‘ bei tausenden Leuten in Ostdeutschland noch im Wort. Die haben Angst um ihre Jobs. Kannst du da nicht was tun?“
Foto: Bildmontage
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