Herbert Gruhl – Politiker und Oberlausitzer

Wer kennt heute noch den Politiker und Oberlausitzer Herbert Gruhl? Leider nur sehr Wenige. Dabei war er als Parteipolitiker und Publizist eine der wichtigsten Figuren des Versuchs, eine Öko-Partei...

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Wer kennt heute noch den Politiker und Oberlausitzer Herbert Gruhl? Leider nur sehr Wenige. Dabei war er als Parteipolitiker und Publizist eine der wichtigsten Figuren des Versuchs, eine Öko-Partei zu gründen. Ohne Gruhl hätte es die „Grünen“ nicht gegeben, mit ihm wären sie etwas ganz anderes geworden. Doch die Lebensgeschichte dieses Mannes beginnt eher.

Er wurde am 22.10.1921 als Bauernsohn in Gnaschwitz geboren und stammt aus einer alteingesessenen Oberlausitzer Familie. Er machte eine landwirtschaftliche Ausbildung. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft studierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin, dann an der neu gegründeten Freien Universität Berlin Germanistik, Geschichte und Philosophie. 1957 promovierte er mit einer Arbeit über Hugo von Hofmannsthal.

1961 zog er nach Barsinghausen bei Hannover und engagierte sich zunächst von 1961 bis 1972 im dortigen Stadtrat. Beruflich war er als Angestellter bei der Organisationsmaschinen-Vertrieb GmbH in Hannover tätig. Von 1975 bis 1977 war Gruhl Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in einem 1978 von ihm erworbenen Bauernhof in Marktschellenberg, von dem aus er nach Barsinghausen pendelte.

1954 trat Gruhl in die CDU ein, deren Kreisvorsitzender im Landkreis Hannover er von 1965 bis 1974 war. Bei der Bundestagswahl 1969 wurde er erstmals in den Bundestag gewählt. 1971 machte er in einer Bundestagsrede als erster Abgeordneter auf das Waldsterben aufmerksam. Im Vorfeld der Bundestagswahl 1972 übernahm Gruhl den Vorsitz der neu geschaffenen parteiinternen Arbeitsgruppe für Umweltvorsorge. Diese Arbeitsgruppe entwarf ein „Konzept der CDU für Umweltvorsorge“, an dem Richard von Weizsäcker als Schatten-Umweltminister in der Wahlkampfmannschaft von Rainer Barzel und Gruhl maßgeblich mitwirkten.

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entwickelte Gruhl sich zu einem der wenigen Kritiker der Kernenergie. Die Veröffentlichung seines Buches Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik im September 1975 avancierte zum Bestseller. Nach der Bundestagswahl 1976, bei der Gruhl in seinem Wahlkreis Hannover-Land überdurchschnittlich viele Stimmen für die CDU hinzugewinnen konnte, entzog die Partei ihm die Aufgaben des Sprechers für Umweltfragen in Fraktion und Partei.

Am 12. Juli 1978 trat Gruhl unter großer Medienresonanz aus der CDU aus, behielt aber sein Bundestagsmandat. Aus diesem Anlass verlas er in Report einen offenen Brief an den damaligen Bundesvorsitzenden der CDU und späteren Bundeskanzler Helmut Kohl, in dem er der CDU vorwarf, an der Wachstumspolitik der 1960er Jahre festzuhalten und damit die „völlig neue Problemstellung der heutigen Welt“ in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht zu verkennen.

Am 13. Juli 1978, nur einen Tag nach der Trennung von der CDU, gründete Gruhl die Grüne Aktion Zukunft (GAZ), deren Bundesvorsitzender er wurde. Die GAZ beteiligte sich im Januar 1980 an der Gründung der Partei „Die Grünen“. Aufgrund einer bald einsetzenden Linksdrift der „Grünen“ trennte sich Herbert Gruhl am 18. Januar 1981 von diesen. 1982 wurde die formell weiterbestehende GAZ mit anderen wertkonservativen Öko-Gruppierungen zur „Ökologisch-Demokratischen Partei“ (ÖDP) verschmolzen.

Als deren Bundesvorsitzender versuchte Herbert Gruhl in den Jahren 1982-1989 vergeblich, einen konservativen parteipolitischen Arm der Umweltbewegung zu etablieren. Personelle und programmatische Querelen führten 1989 zum Rücktritt Gruhls vom Vorsitz und 1990 zum Parteiaustritt. Daraufhin beteiligte sich Herbert Gruhl mit anderen konservativen Umweltschützern (u.a. Baldur Springmann) an der Gründung der überparteilichen Gruppierung der „Unabhängigen Ökologen Deutschlands“. In seinen letzten Lebensjahren galt sein Augenmerk der Arbeit an seinem Spätwerk „Himmelfahrt ins Nichts“. Mehr noch als Politiker hat Gruhl sich als Schriftsteller und konservativer Mahner vor dem leichtfertigen Umgang mit der Natur einen bedeutenden Rang erworben. Stellte „Ein Planet wird geplündert“ noch vorwiegend eine Bilanz der Umweltzerstörung dar, so wurden in „Das irdische Gleichgewicht“ konsequent die geistigen und gesellschaftlichen Ursachen eines selbstmörderischen Umgangs mit der Umwelt hinterfragt. Anstelle eines leichtgläubigen Vertrauens in ein immerwährendes wirtschaftliches Wachstum und den technischen Fortschritt setzte Gruhl – teilweise in Anlehnung an Ludwig Erhards Politik des Maßhaltens – den Appell an eine Ethik des Verzichts, der Bescheidenheit und die Umkehr zu traditionellen Werten wie Familie und Heimat. Diese Haltung umschrieb er mit dem 1988 von ihm geprägten Begriff des „Naturkonservatismus“.

 

In seinem stark von Nietzsche beeinflußten letzten Buch „Himmelfahrt ins Nichts“ (1992) attestierte Gruhl der Menschheit angesichts von Bevölkerungsexplosion, ungebremstem Ressourcenverbrauch und globaler Ausbreitung der „multikulturellen“ Industriegesellschaft das unabwendbare Ende: „Die Vereinheitlichung der Welt ist ein Meilenstein zu ihrem Ende … So wie die technische Zivilisation absolut einmalig in der Geschichte des Menschen ist, so einzigartig wird auch ihr Ende sein. Sie wird nicht an kultureller Degeneration zugrunde gehen, sondern an der physischen Ausplünderung der Erde, wobei heute alle Völker einmütig handeln.

Der Erdkreis quillt erstmalig an Menschen über; die Grenzen der natürlichen Räume, der Grundstoffvorräte und der Belastbarkeit der Natur sind infolge der Menschenmassen weit überschritten. Der Rest der Tragödie ist nur noch eine Folge der Zeit, in der jetzt die Vorgänge eskalieren“.

Gruhl war verheiratet und hatte vier Kinder. Am 26. Juni 1993 starb er im Alter von 71 Jahren nach einem Schlaganfall in Regensburg.

Foto: Herbert-Gruhl-Gesellschaft e.V.

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