„Getretener Quark wird breit, nicht stark.“ Das ist keine alte Bauernregel, sondern zu finden in Goethes „Westöstlicher Diwan“, dem Buch der Sprüche. Wer nun nicht so genau weiß, was mit diesem Spruch gemeint ist, der schaue sich in der Mediathek des NDR die jüngste Sendung „ZAPP“ an.
Die Macher dieses Medienmagazins waren unlängst in Bautzen, um über die lokale Kontroverse um den Unternehmer Jörg Drews (Hentschke Bau) zu berichten. Diese erlebte ihren Höhepunkt zwar bereits im Sommer (!), doch was soll’s. Das Fernsehen lebt auch bei der Auswahl seiner Themen von Wiederholungen. Dadurch wird allerdings selten etwas besser. Das Wenige, was es an Inhalt gibt, wird nur breitgetreten und keinesfalls stärker. Das ist so wie beim eingangs erwähnten Quark. Außerdem sieht man zwangsläufig immer die gleichen, oft verkniffenen Gesichter. Das deprimiert noch zusätzlich.
Deshalb möchte der ZAPP-Beitrag zu Beginn den Voyeur im Zuschauer wecken. Nur schemenhaft von hinten zu sehen, wird die TV-Journalistin beim Gang über die Reichenstraße ins Bild gesetzt. Muss sie etwa verdeckt ermitteln?! Eine Stimme aus dem Off begleitet dann den Kameraschwenk über die Innenstadt mit den fast verschwörerischen Worten: „Hinter den Fassaden herrscht Verunsicherung und Streit.“ Nun, bei denen, die hinter diesen Fassaden leben, sorgte das bestimmt für den ersten Lacher. Aber Fernsehen soll ja auch unterhalten. Warum hat man eigentlich nicht gleich den alten „Fehlfarben“-Hit eingespielt: „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt …“ Blöd nur, dass sich Bautzen so schön von seiner sonnigen Seite zeigte. Das Stadtmarketing hat sich bestimmt schon bedankt.
Wer die Spreestadt nicht kennt, wurden durch diese gestellten Szenen aber vielleicht neugierig auf das, was da kommen wird. Nur dürften diese Zuschauer knapp acht Minuten später enttäuscht abgeschaltet haben. Oder um, etwas geändert, die Schriftstellerin Christa Wolf zu zitieren: Kein Skandal, nirgends. Keine Spur davon, dass Bautzen „tief gespalten“ ist. Es wurde nur wiedergekaut, was drei Monate zuvor bereits in der Zeitung stand: Dass jener Jörg Drews ein erfolgreicher Unternehmer ist. Außerdem ist er ein lokaler Mäzen, d.h. eine Person, die künstlerische, kulturelle oder sportliche Tätigkeiten finanziell fördert. Aber dieses eigentlich vorbildliche Engagement sei zu viel des Guten – weil er persönlich „extreme“ politische Positionen vertrete.
Das meinten jedenfalls seine Kritiker. Doch das sind nur wenige. Dafür waren sie umso lauter. Und als die lokale Tageszeitung ihre Vorwürfe aufgegriffen hatte, wurde daraus schnell für einige Zeit das Stadtgespräch. Doch fast genauso schnell hatte sich das Thema in der Öffentlichkeit wieder erledigt. Die Meinungen waren fast einhellig „pro Drews“. Jene, die diesen Streit vom Zaun gebrochen hatten, standen ziemlich alleingelassen auf ihrer Seite desselben. Dass dort nun auch ZAPP neben ihnen steht, dürfte ein schwacher Trost sein.
Dabei haben sich die Leute vom NDR alle Mühe gegeben, die Drews vorgeworfenen „extremen Positionen“ aufzuzeigen. Auch der ominöse Begriff „Reichsbürger“ wurde bemüht. Als ob sich davon noch jemand ins Bockshorn jagen lässt. Zu willkürlich wird es zur Verleumdung kritischer Menschen missbraucht. Wie eben im Falle des Bautzener Unternehmers. Diesem gefällt es nicht, wie das Land derzeit regiert wird. Damit steht er wahrlich nicht allein. Er kritisiert auch, wie sich die Medien im Fahrwasser der Politik treiben lassen. Und als ob es dafür eines Beweises bedurfte: Als Jörg Drews einen Passus (Artikel 20) aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zitiert, wird das von der TV-Journalistin so kommentiert: „Worte, die alarmieren müssen!“ In einem politischen Fernsehmagazin wird also vor dem gewarnt, was in der Verfassung steht; darauf muss man erst mal kommen. Von Respekt zeugt es jedenfalls nicht. Vielleicht aber von Panik, weil im bewussten Absatz vom Recht auf Widerstand (und nicht von Umsturz!) die Rede ist.
Als Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt nahmen die ZAPP-Macher auch Anstoß daran, dass Drews sogenannte alternative Medien unterstützt, um eine Art „Gegenöffentlichkeit“ zu schaffen. Als ob sie nicht vom Verlust an Glaubwürdigkeit bei der Qualitätspresse gehört hätten. Auch der „Bautzener Bote“ wird da mit einbezogen, obwohl von dem Unternehmer weder direkt finanziert noch über Werbung indirekt gesponsert. Doch es gibt eben noch Herausgeber und Journalisten, die der Meinung sind, dass z.B. über Veranstaltungen wie die Vorträge der überparteilichen Initiative „Von Bürgern für Bürger“ berichtet werden sollte. Nicht zuletzt deshalb, weil es andere nicht tun.
In dem ZAPP-Beitrag kamen Jörg Drews, seine Kritiker Claus Gruhl und Annalena Schmidt, der Bautzener OB Alexander Ahrens und zwei namenlos bleibende Passanten zu Wort. Weil es in politischen TV-Magazinen wohl so (Un-)Sitte ist, wurde selbst dabei mehr über Leute geredet, anstatt diese selbst zu Wort kommen zu lassen. Deshalb verlangte Jörg Drews, dass eine Interview-Langfassung ins Internet gestellt werde.
Claus Gruhl hatte Gelegenheit, eine seiner Mutmaßungen über die ach so bösen Absichten des J.D. loszuwerden, während Annalena Schmidt eine öffentliche Aussprache forderte – als ob die nicht schon stattgefunden hätte. So gab es bei den Stadträten bereits im Sommer über die Grenzen der Fraktionen hinweg keinerlei Beistand für die beabsichtigte Diskreditierung des Unternehmers. Allgemeiner Tenor: Man müsse dessen politische Einstellung nicht teilen, um in der Sache und für die Stadt gut zusammenarbeiten zu können.
Doch warum haben eigentlich Annalena Schmidt und Claus Gruhl den Auftritt im Fernsehen nicht dazu genutzt, ihre öffentlich gewordenen Vorwürfe von der gekauften Stadtpolitik zu wiederholen? Da fehlte es wohl an Selbstbewusstsein – oder aber nach wie vor an Beweisen.
Oberbürgermeister Ahrens bekam im ZAPP-Beitrag auch noch die Gelegenheit, sich kritisch über Jörg Drews zu äußern. Als hätte dieser das nicht schon vor vielen Wochen getan und zwar bei einem Doppelinterview mit diesem in einer Folge von „Stadtgeflüster“ beim alternativen (!) OLHS.TV, moderiert von David Vandeven. Es ging damals neben der Stadtentwicklung auch um die kontroversen politischen Standpunkte und war trotzdem ein sachliches Gespräch. Vielleicht zählt das bei manchen Leuten nicht, so ganz ohne Marktgeschrei und Schaum vorm Mund …
Das alles, was ZAPP erst kürzlich in Bautzen abfilmte, könnte man als Schnee von vorgestern bezeichnen, wenn’s nicht bereits im heißen Juli passiert wäre. Aber das Fazit der Sendung stand wohl von Anfang an fest: Durch die Bautzener Stadtgesellschaft geht ein Riss. Was eigentlich nur noch zu beweisen war. Was aber nicht bewiesen werden konnte. Das heißt auch: Außer Spesen nichts gewesen. Nicht so schlimm, wird man beim NDR denken, es sind ja nur die Fernsehgebühren.
Hans-Georg Prause