Es sind große Ferien. Wer denkt da schon an Schule? Nun, die Ende Mai gewählten Stadträte von Bautzen werden genau das tun müssen. Zumindest für die Neuen ist es ein unverschuldetes Nachsitzen. Ihnen wurde von den Vorgängern im Ehrenamt eine knifflige Hausaufgabe hinterlassen: Noch offen ist die Frage, ob Bautzen eine neue Grundschule braucht. Und wenn ja, ob sich die Stadt dieser Aufgabe selbst stellt. Oder aber, ob sie das Vorhaben einem freien Träger überlässt.
Diese Diskussion, nicht zu vergessen jene über den bestmöglichen Standort, währt bereits viele Monate. Schon Ende November 2018 wurde deshalb das Thema in der BB-Kolumne „Schule war gestern, oder?“ erörtert. Trotzdem ist selbst ein gutes halbes Jahr später nur eines klar, nämlich dass noch immer nichts geklärt ist.
Eigentlich sollte die Schule längst im Bau sein, woran auch Tobias Schilling als CDU-Spitzenkandidat kurz vor der Kommunalwahl erinnerte: „Die Stadt zog die Entscheidung mit immer neuen Argumenten in die Länge. Was 2018 dringend nötig war, das ist 2019 angeblich überflüssig – aber erst, nachdem der Stadtrat die Perfecta-Brache als Standort durchgesetzt hatte.“ Dazu passen die mahnenden Worte des alten Mönches und Volkspredigers Abraham a Santa Clara (1644 – 1709): „Das gefährlichste Möbelstück ist die lange Bank und das gefährlichste Instrument die alte Leier.“
Die lokale „SZ“ (siehe Ausgabe vom 7. Mai 2019) befragte seinerzeit alle maßgeblichen Parteien und kommunalen Wählervereinigungen zu diesem Thema. Es gab dabei ähnlich eindeutige Äußerungen wie die von Tobias Schilling, z.B. jene von Steffen Grundmann (Die Linke): „Ja, Bautzen braucht eine neue Grundschule …“. Daneben standen windelweiche „Ja, aber“-Position sowie Aussagen, die Kapazitäten der Schulen seien doch ausreichend, selbst wenn’s für die Kinder zwei, drei Jahre lang etwas eng werde …
Doch könnte es tatsächlich sein, dass die mehrheitliche Entscheidung des (alten) Stadtrates für die zentral gelegene Perfecta-Brache an der Dr.-Peter-Jordan-Straße als bevorzugten Grundschul-Standort etwas mit der zögerlichen oder verzögernden Haltung der Stadtverwaltung zu tun hatte? Vom Rathaus selbst wurde dagegen der Um- und Ausbau des stadtauswärts gelegenen ehemaligen Berufsschul-Komplexes an der Löbauer Straße deutlich favorisiert. Auf den ersten Blick war das ja eine zeit- und kostengünstige Variante, doch als Fachleute genauer hinschauten, gab es einiges zu kritisieren.
Die „SZ“ berichtete damals ausführlich über Untersuchungen an drei ausgewählten Stellen in der Stadt. Und die Überschrift, dass ein „Platz für Bautzens neue Grundschule“ gefunden sei, bezog sich auf die klaren Vorteile des einstigen Perfecta-Areals. Das vormalige Berufsschulzentrum kam eher schlecht weg. „Die Empfehlung des Architekten löst bei Bautzens Oberbürgermeister gemischte Gefühle aus. Zwar ist die Sache für Alexander Ahrens (SPD) damit ziemlich klar, doch er bedauert auch: ‚Die Perfecta-Brache wäre auch als Wohnstandort hervorragend geeignet gewesen.‘“
Der Bautzener OB hatte vorab keinen Hehl daraus gemacht, was ihm für das Perfecta-Gelände vorschwebte. „Das ist eigentlich ein Grundstück, das prädestiniert ist für hochwertigen Wohnungsbau. Diese Wohnungen würde man uns aus den Händen reißen.“ So äußerte er sich bereits rund sechs Monate zuvor in einem „SZ“-Gespräch. Doch die Mehrzahl der Stadträte hielt wohl nicht viel von diesem Monopoly-Spiel. Ein Spiel, das Alexander Ahrens nun aber vielleicht doch noch gewinnen könnte.
Kürzlich und etwas überraschend wurden Pläne für eine neue freie Schule in Bautzen öffentlich gemacht. Da stellt sich doch die Frage: Geschah das wirklich ganz zufällig in der Sommerpause? Über den möglichen Schulträger schweigt sich das Rathaus noch aus; darüber soll bei der ersten Sitzung des neuen Stadtrates im August gesprochen werden. Die eigentliche Überraschung ist aber der bekannt gewordene mögliche Standort, nämlich das für eine künftige Grundschule als ungeeignet eingestufte Berufsschulzentrum an der Löbauer Straße.
Blättern wir deshalb zurück und lesen, was vor Jahresfrist über dieses Gelände und Gebäude in der „SZ“ stand, die von einem „vernichtenden Urteil“ schrieb, das damals der von der Stadt selbst beauftragte Projektarchitekt Holger Sieg zu Papier gebracht hatte. Hier einige Stichpunkte daraus: Das Gebäude gehört dem Landkreis und steht unter Denkmalschutz; es ist nicht groß genug für die erforderliche Anzahl der Klassenzimmer; zwar sei Platz für einen Anbau, doch „weil sich ein Steinbruch unter dem Areal befindet, wäre eine Bebauung schwierig“ (so Holger Sieg). Letzteres könnte seiner Meinung nach auch die vorab zu veranschlagenden Kosten in die Höhe treiben.
Da staunt der Laie und selbst der Fachmann wundert sich: Stimmt diese negative Expertise plötzlich nicht mehr? Doch vielleicht hat der noch unbekannte freie Träger ja die Taschen voller Geld. Die Nachteile der städtischen Randlage für einen solchen Schulstandort macht allerdings selbst das nicht wett.
Aber wetten, dass sich der Bautzener OB über eine neue Grundschule dort draußen freuen würde? Nicht nur, weil die Stadt dafür nicht so viel investieren müsste. Nein, dann könnte er auch an der Dr.-Peter-Jordan-Straße doch noch Wohnungen bauen. Nur sollten sich die Stadträte nicht so einfach schulmeistern lassen. Sie müssen jetzt ihre Schul-Aufgaben machen. Selbst wenn’s schwer fällt, weil doch noch Ferien sind.
Hans-Georg Prause