Darf es ein Amt mehr für Ahrens sein?

Bevor es erst große Wellen schlagen konnte, ist die Aufregung bereits wieder verebbt. Alexander Ahrens hat am Freitag für viele überraschend seine Bewerbung für den bundesweiten SPD-Vorsitz in...

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Bevor es erst große Wellen schlagen konnte, ist die Aufregung bereits wieder verebbt. Alexander Ahrens hat am Freitag für viele überraschend seine Bewerbung für den bundesweiten SPD-Vorsitz in den Ring geworfen. Er tat das im politischen Tandem mit seiner Flensburger Amtskollegin Simone Lange. Diese forderte schon mal erfolglos die Parteivorsitzende Andrea Nahles heraus. Die wenig später mehr oder weniger freiwillig von sich aus alles hingeworfen hat. Also alles auf Anfang. Doch der Bautzener Oberbürgermeister hätte nicht gerade jetzt verreisen sollen. Urlaub in Finnland, wie schön. Privat vor Partei – das könnte ihm jedoch auf die Füße fallen und stolpern lassen auf dem Weg nach oben.

Dabei ist seine Ansage so stark wie gewagt. Die Rhein-Neckar-Zeitung zitiert Ahrens: „Wer Oberbürgermeister kann, kann auch andere Ämter ausüben.“ Die Presseinfos und PR-Fotos waren an die Redaktionen verteilt. Die Lange-Ahrens-Homepage stand pünktlich im Internet. Für den ganz großen Medien-Coup fehlte lediglich noch die Abendausgabe der „Tageschau“. Vielleicht stufte man im Fernsehstudio den Vorgang als „nur von regionaler Bedeutung“ ein; dagegen hat selbst ein medienaffiner Mensch wie Alexander Ahrens keine Chance.

Persönliche Auftritte sind bekanntlich eine Stärke des Ex-Westberliners und Wahlbautzeners. Das zeigte sich schon bei den Oberbürgermeister-Wahlen 2015, als sich Ahrens im zweiten Wahlgang gegen einen CDU-Mann durchsetzte. Es war clever von ihm, die Partei Die Linke, die SPD und ein überparteiliches Bürger-Bündnis für sich zu gewinnen. Da trat ein Mann ins kommunale Rampenlicht, der gewillt war, sich als Parteiloser für die Stadt und ihre Bürger so richtig ins Zeug zu legen. Das wollte man nur zu gern glauben. Leichte Zweifel daran kamen auf, als der neue OB nach seiner Wahl zum Stadtoberhaupt seine Prioritäten setzte und erst mal Familienurlaub in Frankreich machte.

Als im Jahr darauf Bautzen durch den bis heute ungeklärten Brand des „Husarenhofes“ und die skandalisierten Krawalle auf dem Kornmarkt in die Schlagzeilen geriet, stand er jedoch seinen Mann und für seine Stadt ein. Dann wurde Alexander Ahrens unerwartet Mitglied der SPD. Dieser Partei gehörte er schon mal an (1992 bis 2001). Aber 2017 glaubten nicht nur viele Genossen, mit dem Brüssel-Rückkehrer Martin Schulz wäre in Berlin der Erlöser der deutschen Sozialdemokratie wiedergeboren worden. Auf dem Weg ins Kanzleramt ging Schulz dann jedoch im Nirgendwo der Politik verloren. Soll nun der Messias der SPD aus Bautzen kommen? Zweifel daran sind angebracht.

Das, was im März 2017 in Bautzen geschah, war ein politischer Sündenfall. Alexander Ahrens verlor damals viel von dem, was ihm jetzt als populistischer Wahlspruch dient: Er wolle die Glaubwürdigkeit in die Politik zurück bringen. Man frage mal beim Bautzener Bürger Bündnis nach, wie das war, als der von ihnen unterstützte parteilose OB sie mit dem SPD-Beitritt brüskierte. Das BBBz bat danach öffentlich alle Bautzener, die der Wahlempfehlung gefolgt waren, um Entschuldigung. Der „Bautzener Bote“ thematisierte das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel des OB in einer Kolumne: „Nicht zu beanstanden, aber auch anständig?“

Manchmal zahlt sich Ehrlichkeit in der Politik aus. Bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr gehörte das Bürger Bündnis Bautzen (BBBz) zu den Gewinnern. Es legte deutlich zu und verfügt jetzt über sechs Plätze im Stadtrat. Dort konnte die CDU ihre Position noch behaupten (acht Sitze); die erstmals angetretene AfD ist mit sieben Abgeordneten dabei. Es wird also kompliziert für Ahrens. Denn wie für die FDP blieben für seine SPD gerade mal zwei Plätze übrig von insgesamt 30 Sitzen im Stadtparlament. Zählt man die drei Linken großzügig zum OB-Lager hinzu, wären es fünf Gefolgsleute.

Die beiden Grünen im Stadtrat dürften eher skeptisch sein, was Ahrens anbelangt. Annalena Schmidt, stets für einen Fauxpas gut, twitterte ganz unverblümt: „Bautzen wäre es zu wünschen, wenn er in der Bundespolitik verschwindet! Die SPD sollte sich aber genau überlegen, ob sie sich den endgültigen Todesstoß selbst geben möchte.“ Sich so anmaßend zu äußern, war keine gute Idee. Schon bald wird sie irgendwie mit Alexander Ahrens auskommen müssen. Dieser will nämlich Bautzener Oberbürgermeister bleiben. Ganz egal, ob er in eine künftige SPD-Doppelspitze gewählt wird oder nicht.

Vielleicht ist das sogar die abenteuerlichste Aussage, die Ahrens bei seiner Bewerbung um den Parteivorsitz gemacht hat. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung dürften sich ihren Teil gedacht haben, als sie von den parteipolitischen Ambitionen ihres Vorgesetzten gelesen haben. Sie wurden von ihm schriftlich per E-Mail informiert. Es soll Leute geben, die meinen, das sei kein guter Stil.

Nun wird über das Wohl und Wehe der Sozialdemokratie und eine Parteikarriere des Alexander Ahrens nicht in Bautzen entschieden. Und auch kaum in Sachsen, wo die SPD eigentlich fast den Schutzstatus für politischen Minderheiten beantragen könnte. Einiges deutet darauf hin, dass selbst im Freistaat eine Langer-Ahrens-Kandidatur für den Vorsitz der Bundespartei nicht so einfach durchgewinkt wird, wie man glauben möchte.

Noch im Frühsommer rief Martin Dulig als SPD-Chef in Sachsen dazu auf, dass sich auch Kommunalpolitiker seiner Partei dafür bewerben sollen. Jetzt aber hält sich der SPD-Ostbeauftragte merklich zurück: Er freue sich über den Mut von Alexander Ahrens, so ist in einem SZ-Artikel zu lesen, werde sich aber bis zum 1. September zu Einzelkandidaturen nicht äußern. Also ehrlich gemeinte Unterstützung hört sich anders an.

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