Probelauf in der Provinz

Die Bautzener Kreisräte haben es getan. Der CDU-Landrat hat nun auch einen ehrenamtlichen Stellvertreter, welcher der AfD angehört. Bei dessen Wahl ist manch ein Kreisrat über den sprichwörtlichen Schatten gesprungen....

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Die Bautzener Kreisräte haben es getan. Der CDU-Landrat hat nun auch einen ehrenamtlichen Stellvertreter, welcher der AfD angehört. Bei dessen Wahl ist manch ein Kreisrat über den sprichwörtlichen Schatten gesprungen. Nicht über seinen eigenen, sondern über jenen, den die Berliner Parteizentralen werfen. Das ultimative Verdikt, sich nicht und nirgends mit den Alternativen gemein zu machen, wurde schlichtweg ignoriert.

Und siehe da: Die Erde dreht sich weiter. Der große Aufschrei blieb aus. Das sagt einiges darüber aus, wie weltfremd es ist, auf Dauer eine Partei ins gesellschaftliche Abseits stellen zu wollen, die von vielen Bürgern gewählt wurde und wird. Nicht überall, aber doch in Sachsen und längst auch anderswo. Es geht um politische Mehrheiten und letztlich also um Macht. Manches mutet dabei an wie ein Probelauf in der so oft geschmähten Provinz.  

Erst unlängst „enthüllte“ nach derzeit bei den Medien so angesagten investigativen Recherchen und nur ein ganz klein wenig alarmistisch der ARD-„Report Mainz“, dass sich CDU und AfD in den Kommunen annähern würden. Die dafür angeführten Beweise entbehren allerdings nicht einer gewissen künstlichen Aufgeregtheit. Zum Beispiel im „Fall“ Eilsleben:

In dieser Gemeinde im Börde-Landkreis, also in Sachsen-Anhalt, hat sich doch tatsächlich ein (!) gewählter AfD-Gemeinderat der aus sechs Personen bestehenden CDU-Fraktion angeschlossen. Der Einzelkandidat, ein noch junger Mann, sollte so an die Kommunalpolitik herangeführt werden. In der rund 2700 Einwohner zählenden Gemeinde  dürfte es eher um Sachthemen gehen. Doch den Parteifunktionären ging diese Personalie zu weit. Politische Repressalien wurden angedroht. Was nicht eines gewissen Witzes entbehrt: Alle sechs Mitglieder der Eilslebener CDU(!)-Fraktion sind parteilos. Inzwischen haben sie aber von sich aus die fraktionelle Zusammenarbeit mit dem AfD-Gemeinderat beendet. Den „Pressezirkus“ (Zitat) wolle man sich nicht weiter antun. Oder mit anderen Worten: Die Klügeren gaben nach.

Was der CDU in manchen Kommunen recht ist, ist anderen Parteien nur billig. Und das vor allem zwischen Ostseeküste und Sächsischer Schweiz:

So arbeitet laut ZDF-„heute“ in der Stadtvertretung von Sassnitz die SPD mit der AfD zusammen. Dort woll(t)e man „sieben gemeinsame Anträge“ durch das Stadtparlament bringen, so hätte es zuvor der Sender NDR 1 Radio MV berichtet. Kurz darauf wurden die Genossen im Stadtrat von der Landes-SPD zurückgepfiffen. Auch die „örtliche Parteibasis“ sei dagegen gewesen.  

Beim TV-Sender ntv hatte man kürzlich die „Sächsische Zeitung“ gelesen und deshalb ist nun bundesweit bekannt, dass in Gohrisch  in der Sächsischen Schweiz die Gemeinderäte von CDU und AfD mit einem (parteilosen) Vertreter der Grünen eine Fraktion bilden. Die Partei ist empört, distanziert sich, will ihrem gewählten Abgeordneten die Unterstützung entziehen. So wenig braucht es also, um als ein kleiner Ort mit 2200 Einwohnern in die großen Schlagzeilen zu kommen.   

Wer nun wieder aufstöhnt und meint, das sei eben der unfolgsame Osten, für den gibt es hier noch eine West-Variante aus Rheinland-Pfalz. Dort ist die Konstellation besonders bizarr:

In dem Ort Frankenstein, unweit von Kaiserslautern gelegen, sorgt „eine mögliche Fraktion aus CDU und AfD“ für einigen Ärger, wie SWR aktuell meldet. Die handelnden Personen sind ein Mann und eine Frau. Und sie sind verheiratet. Die Fraktionssitzung könnte also am häuslichen Küchentisch stattfinden. Doch weder die Landes-CDU noch der Frankensteiner Bürgermeister (Freie Wähler) finden das lustig. Dieser meinte, so ein Zusammenschluss sei zwar legitim, aber es sei fraglich, ob „moralisch zu rechtfertigen“. Ja, die Moralapostel haben hierzulande Hochkonjunktur. 

Wenn aber zum Beispiel – um zurück zum Bautzener Kreistag zu kommen – die Kreisvorsitzende der Partei Die Linke die Wahl  eines AfD-Kreisrates zum Landtagsvize als „politisches Desaster“ („SZ“ vom 2.10.) bezeichnet, ist das nicht zwangsläufig ein Unglück, das uns alle betrifft, oder gar ein allgemeines moralisches Versagen. Eine Katastrophe ist das nur für ihre Partei, die bei den Kommunalwahlen – zur Erinnerung hier das Ergebnis  bei weitem nicht genug Stimmen bekam, um das zu verhindern.

Übrigens ließ es sich die Partei Die Linke in Dresden durchaus gefallen, im Sächsischen Landtag in ein Vizepräsidentenamt gewählt zu werden. Im dritten Wahlgang – wie der Bewerber der AfD. Moral hin, Taktik her: Die sich dabei zurückhaltende CDU-Mehrheitsfraktion respektierte so das Wahlergebnis (CDU 32,1 Prozent, AfD 27,5, Linke 10,4). Was sie nicht davon abhalten wird, mit den kleinen Parteien (Grüne 8,6 Prozent und SPD 7,7) zu paktieren, um weiter regieren zu können.

Man kann hier vulgär aus Brechts „Dreigroschenoper“ zitieren, wonach erst das Fressen und dann die Moral kommt. Oder auf Machiavelli verweisen, der einer Trennung von Politik und Moral durchaus etwas abgewinnen konnte (als „eine Grundvoraussetzung für einen stabilen und starken Staat“ / Wikipedia). Belassen wir es abschließend bei den einfachen Worten des Freiherrn von Knigge: „Allgemeiner Beifall, allgemeines Lob sind entbehrliche Dinge.“        

Hans-Georg Prause

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