Friedenspreis für Fragesteller

Durch das Stellen von Fragen etwas infrage zu stellen, ist das per se schon fragwürdig? „Selbst Kritiker gestehen Ganser zu, dass er akribisch recherchiert und berechtigte Fragen aufwirft.“...

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Durch das Stellen von Fragen etwas infrage zu stellen, ist das per se schon fragwürdig? „Selbst Kritiker gestehen Ganser zu, dass er akribisch recherchiert und berechtigte Fragen aufwirft.“ So war es jüngst zu lesen in der lokalen „Sächsischen Zeitung“ und diese meinte damit den Schweizer Historiker und Buchautor Daniele Ganser, der im Januar 2020 mit dem Bautzener Friedenspreis geehrt wird. Der SZ-Artikel ist aber alles andere als eine vorgezogene Laudatio.

Zwar kommt dieser Beitrag nicht umhin, die wissenschaftlichen Arbeiten des (wie sich die Zeitung mokiert) selbsternannten Friedensforschers über sogenannte Illegale Kriege der USA sowie verdeckte US-Geheimdienst-Operationen anzuerkennen. Der Verfasser tut das allerdings nur, um letztlich zu relativieren: „Denn er (also Ganser) belässt es nicht bei den Fakten, sondern versteigt sich häufig in wilde Spekulationen.“ Worauf man mit Charles Darwin antworten könnte: „Ohne Spekulation gibt es keine neuen Beobachtungen.“ Der Naturforscher schrieb das am 22. Dezember 1857 an seinen Kollegen Alfred Russel Wallace.

Nun käme wohl niemand auf die Idee, einen akribischen Wissenschaftler wie Darwin als frühen Verschwörungstheoretiker zu bezeichnen, nur weil er bei aller seriösen Forschung der Spekulation nicht gänzlich abhold war. Daniele Ganser muss allerdings mit solchen Vorwürfen seit Jahren schon leben. Und auch die Bautzener „SZ“ kolportiert bereitwillig die Mär vom „umstrittenen Historiker“ und „Verschwörungstheoretiker“. Dabei muss kein Mensch alles glauben, was Ganser so ausführt; er selbst plädiert ja dafür, alles zu hinterfragen. Das weltweite Internet mache es möglich, so der Schweizer. Um aber gleichzeitig vor dessen trügerischen Untiefen zu warnen.

Vielleicht ist es diese Offenheit, die das Publikum für diesen eloquenten und – auf gut Sächsisch – fischelanten 47jährigen Mann einnehmen. Man kann seine Meinung teilen, muss es aber nicht. Oder glaubt jemand, die rund 1000 Besucher des Ganser-Vortrages unlängst im Ostra-Dome in Dresden hätten dort am Eingang allesamt Aluhüte aufgesetzt bekommen!

Übrigens ist der Artikel des SZ-Autors Oliver Reinhard über diesen Auftritt ein gutes Beispiel dafür, wie trotz aller Skepsis des Verfassers ein journalistisch sauberer Beitrag für den Feuilleton-Teil einer Zeitung auszusehen hat. Zu finden ist er online unter Verschwörungstheoretiker bei den Jazztagen Dresden. In der gedruckten Ausgabe hieß der gleiche Text allerdings „Obama. Ein Kriegsverbrecher?“ Für die geänderte Überschrift wird es bestimmt einen (guten?) Grund geben haben. Also nicht sofort an eine Verschwörung denken! Aber man wird doch mal fragen dürfen …

Ohne jede Frage hat der hier eingangs genannte „Bautzener Friedenspreis“ in den vergangenen Jahren viel an Anerkennung gewonnen. Vielleicht lag und liegt das u.a. auch daran, dass die Preisträger nicht aus der Retorte kamen. Sie alle haben ihre Ecken und Kanten. Was nicht jedem gefällt. Muss es auch nicht. Eher komisch ist es da schon, wenn dem veranstaltenden Verein, also dem „Bautzener Frieden“, unsinnige Vorwürfe wie dieser gemacht werden:

„Ich frage mich, was will dieser Verein denn noch. Er bekommt jede Bühne und Grußworte der Politiker. Er ist offizieller Programmteil bei Stadtfesten etc. – Die Verschwörungsszene ist in Bautzen zu Hause …“ Das twitterte kürzlich Birgit Kieschnick, als sie für den Stadtfamilienrat e.V. an einer Veranstaltung „Demokratie und Extremismus“ teilnahm. In seiner Novelle „Tonio Kröger“ beschrieb Thomas Mann eine Art von Besessenheit wie folgt: „Beherrscht dich ein Gedanke, so findest du ihn überall ausgedrückt, du riechst ihn sogar im Wind.“

Ein Hauch von Verschwörungswahn lag wohl auch in der Luft, als die Grünen-Stadträtin Annalena Schmidt jüngst diesen Tweet absetzte: „Yeah! Die Terror-Tannen stehen wieder in #Bautzen … Die Stadt, in der der „besorgteste Bürger“ #Drews bestimmen darf, wie der Weihnachtsmarkt ‚dekoriert‘ wird …“ Doch wer will das schon ernst nehmen, wenn sie etwas pubertär auch Sprüche wie „Tampons rein, Nazis raus!“ retweeted.

Aber zurück zum „Bautzener Friedenspreis“. Dieser wird nicht von der Stadt, sondern vom „Bautzener Frieden“ verliehen, einem „nicht eingetragenen Verein“, was die Zeitung hervorhebt. Das ist eine Variante des deutschen Vereinsrechtes. Es ist also wahrlich nichts Anrüchiges, wie nun mancher Leser glauben mag oder soll. Dass Rainer Rothfuss, als er als Organisator der „Druschba“-Friedensfahrt 2017 nach Moskau geehrt wurde, noch gar kein AfD-Politiker war, ist sicher nur eine kleine Unkorrektheit. 

Und da ist noch der Preisträger von 2019 – Willy Wimmer. Er bekam die Auszeichnung nicht zufällig 20 Jahre nach dem Angriff von NATO-Staaten auf Jugoslawien. Der „Bautzener Boteschrieb:  „Es gab dafür kein UN-Mandat, es lag kein Bündnisfall vor, es war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. … Der CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer war damals vielleicht kein einsamer Rufer in der Wüste. Doch es gab wenige Politiker, die wie er gegen diese militärische Aggression ihre Stimme erhoben.“

Anstatt das zu würdigen, wurde vor einem Jahr ein von ihm verfasster Text zum Ersten Weltkrieg zerpflückt, wurden Sätze aus dem Kontext gerissen. Gerade das zu tun, wirft man ja nicht zuletzt Daniele Ganser vor. Nur dass dieser stets die Quellen seiner Zahlen und Fakten nennt. Merke: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es eben nicht dasselbe.

Hans-Georg Prause

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