Ein jähes Ende eines Eklats

Keiner will päpstlicher sein als der Papst, aber wenn am 4. Februar im Lokalteil der „Sächsischen Zeitung“ über die jüngste Tagung der Bautzener Stadträte gleich in der Unterzeile...

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Keiner will päpstlicher sein als der Papst, aber wenn am 4. Februar im Lokalteil der „Sächsischen Zeitung“ über die jüngste Tagung der Bautzener Stadträte gleich in der Unterzeile einer Überschrift zu lesen war, „Die Sitzung in der vorigen Woche musste abgebrochen werden“, dann war das entweder sehr nachlässig formuliert oder ein ganz klein wenig manipulativ. Doch wer will Letzteres schon unterstellen …

In der Zeitungsredaktion dürfte ja bekannt gewesen sein, was die Stadtverwaltung schon Tage zuvor per Presseinformation mitgeteilt hatte: „Die bereits von einigen Medien publizierte Aussage, die Sitzung sei abgebrochen worden, ist also falsch!“ Und zwar so falsch, wie die Richtigstellung durch André Wucht, den Leiter des Amtes für Pressearbeit, unmissverständlich ist. Es gab kein „Jähes Ende beim Stadtrat: …“.

Was sollte also diese nachträgliche Zuspitzung? Die lokale Abozeitung selbst hatte am 31. Januar geschrieben, dass das Gremium „nicht mehr beschlussfähig“ war, weil viele Stadträte die Sitzung verließen. Das ist etwas ganz anderes als „abgebrochen“. Zudem wurde vor den verbliebenen Stadträten noch der Beteiligungsbericht der Stadt Bautzen verlesen. So stand es sogar in der SZ. Und so liest es sich in der Mitteilung des Rathaus-Pressesprechers: „Es blieben 13 Abgeordnete zurück, der Rat war nicht mehr beschlussfähig. Offene Tagesordnungspunkte, die zum Beschluss gebracht werden mussten, wurden automatisch in die nächste Sitzung vertagt. Sie (also die noch anwesenden Stadträte/hgp) folgten weiter der aktuellen Tagesordnung.“

Allerdings sind Sätze wie „Doch unerwartet war Schluss mit der Sitzung …“ bereits im ersten Zeitungsbeitrag recht dramatisierend. Denn so „unerwartet“ kam das nicht. Im gleichen Artikel steht, dass vorher per Abstimmung die Tagesordnung geändert wurde, weil abzusehen war, dass das Pensum nicht zu schaffen sei. Jedoch wollen wir nicht beckmessern, sondern zitieren hier aus der bereits erwähnten Stellungnahme der Stadt, um die von der SZ gewählte Totschlagzeile „Friedenspreis: Eklat im Bautzener Stadtrat“ etwas zu entschärfen:

„Da der Oberbürgermeister derzeit erkrankt ist, wurde die Sitzung am 29. Januar durch Bürgermeister Dr. Robert Böhmer geleitet. Während der Sitzung stellte er fest, dass die Tagesordnung im vorliegenden Umfang und der vermeintlich verbleibenden Zeit nicht abzuarbeiten war. Es bestand die Gefahr, dass der Stadtrat aufgrund zu weniger Abgeordneter (weniger als 16 Stimmberechtigte) den Repräsentationsgrundsatz nicht mehr erfüllt, sprich beschlussunfähig wird. Darüber informierte er den Stadtrat und schlug vor, die Tagesordnungspunkte 13 bis 15 vorzuziehen. In einer folgenden Abstimmung erhielt er für den Vorschlag eine klare Mehrheit. Somit wurden allen Vorgaben der Sächsischen Gemeindeordnung entsprochen und die Punkte 13 bis 15 beschlossen.“

Es war an diesem Abend jedem Anwesenden klar, dass diese Stadträte die Sitzung nicht verlassen würden, um Bier zu trinken oder Kegeln zu gehen. Vielleicht hätte man das ihnen sogar eher durchgehen lassen. (Ironie!) Denn ach, viel schlimmer: Sie wollten einfach pünktlich im Theater sein, wo der (Bautzner) Friedenspreis verliehen wurde. (Mehr dazu unter „Friedenspreis für Fragesteller“) An der Tatsache, dass dieser Preis trotz versuchter Diskreditierung mittlerweile akzeptiert wird und sogar überregional Beachtung findet, reibt sich ein Häufchen Unentwegter bereits seit Jahren auf. Einige dieser sich derart betroffen gebenden Bürger sitzen auch im Stadtrat.

Trotzdem war das alles weit davon entfernt, ein Eklat, also „ein großes Aufsehen erregender Vorfall“ zu sein. Ihn nachträglich herbeizuschreiben, das klappt nicht. Neben der SZ Bautzen griff der MDR das Thema auf. Online hieß es dort: „Stadtratssitzung in Bautzen wegen Preisverleihung abgebrochen“. Obwohl im letzten Satz auch dieses Beitrages eingeräumt werden musste: „Im rechtlichen Sinne habe es sich also nicht um eine abgebrochene Sitzung gehandelt.“ Hätte demnach nicht die Überschrift geändert werden müssen? Aber nein, es geht um den Leser-Kick und die Internet-Klicks.

Nur zu gern wurde das alles von einigen Bautzener Stadträten trotzdem als Stichwort für die übliche Betroffenheitsprosa genutzt: Da war man „fassungslos“, „bestürzt“ und es war sogar „skandalös“. Wesentlich wortkarger waren diese Stadträte, als in der Sitzung von anwesenden Bürgern u.a. die Bitte geäußert wurde, doch mal konkret zu sagen, wer im Verein „Bautzner Frieden“ – wie diesem unterstellt wird – Reichsbürger sei und sich antisemitisch äußere? Die letzte Ausflucht: Darauf werde man (genauer: Frau) schriftlich antworten.

Es ist jedoch zu befürchten, dass den Fragestellern demnächst nur jene Rede zugeschickt wird, die ein echter Aluhutträger (tatsächlich!) am Abend der Verleihung des Friedenspreises auf dem Theaterplatz gehalten hat. Diese sich bloßstellende Selbstironie hätte man jenen Leuten, die in Bautzen hinter jeder Ecke einen Reichsbürger oder einen Nazi vermuten, gar nicht zugetraut. Denn dass gerade sie anderen unterstellen, Verschwörungstheorien in die Welt zu setzen, hat etwas von jenem Einbrecher, der da ruft: „Haltet den Dieb!“

Wer allerdings das Foto des jungen Mannes in der SZ sah („Protest gegen Bautzner Friedenspreis“), wird vielleicht an eine bekannte Sentenz des österreichischen Musikers  Peter Horten gedacht haben: „Als ich das erste Mal in mich ging, kam ich sofort wieder heraus. Es war so unheimlich still da drinnen.“

Womit auch in dieser Kolumne noch ein Kalenderspruch untergebracht ist … 😉

Hans-Georg Prause

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