Corona-Maskerade: Von halbherzig bis herzlos

Über Sachsen lacht dieser Tage die Sonne. Und nicht nur diese. Bundesweit machte der Freistaat damit Schlagzeilen und sich lächerlich, als erstes Bundesland das Tragen von Masken, die...

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Über Sachsen lacht dieser Tage die Sonne. Und nicht nur diese. Bundesweit machte der Freistaat damit Schlagzeilen und sich lächerlich, als erstes Bundesland das Tragen von Masken, die Mund und Nase bedecken, ab sofort auch beim tagtäglichen Einkauf zur Pflicht zu machen. Hoffentlich ist es wenigstens ein mitleidiges Lächeln. Willige Nachahmer werden sich finden. Wie Bayern, bereits ab dem 27. April. Klar, die Verfechter dieser rigorosen Regelung werden kontern: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Aber eigentlich ist das alles recht traurig.

Jede inhaltliche Abstimmung der Ministerpräsidenten der Bundesländer untereinander und mit der Berliner Regierung über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise hätte man sich schenken können, wenn dann jeder dieser Politiker zuhause was anderes macht und den starken August markiert. In Sachsen, weil das uns sehr direkt betrifft, versucht sich Michael Kretschmer (CDU) dabei als Klassenprimus unter seinen Amtskollegen zu profilieren.

Noch unlängst war er nah dran, sich politisch zu kompromittieren. Die Koalitionsregierung aus CDU, SPD und Grünen wollte Corona-Quarantäne-Verweigerer in psychiatrischen Einrichtungen unterbringen. Für viele Menschen ein unerhörter Vorgang. Der Ministerpräsident zog sofort die Notbremse. Die zuständige Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) ihrerseits sah sich dagegen „einer Verleumdungskampagne“ ausgesetzt. Solch eine doppelte Instinktlosigkeit sucht weithin ihresgleichen.

Vielleicht will Kretschmer mit der Verpflichtung „seiner“ Bürger zum Tragen der Schutzmasken – nicht nur in Bussen, Bahnen und Taxis, sondern auch in Läden und Kaufhallen – es aber lediglich dem aufs Bundeskanzleramt schielenden Anti-Corona-Kämpen Markus Söder mal so richtig zeigen. Selbst der sonst nicht zögerliche starke Mann der bayerischen CSU hatte es bislang dabei belassen, nur von einem diesbezüglichen Gebot zu sprechen. Dem CDU-Musterknaben in Sachsen reichte das jedoch nicht. Überholen ohne einzuholen – gab’s den Spruch im Osten nicht schon mal?!

Dabei sollte die Rede vom gut‘ Ding, das Weile haben will, selbst bei unpopulären Entscheidungen beachtet werden. Gern wird von den Medien so getan, als ob diese sächsische Maßnahme doch gar nicht so besonders wäre. Das mit den Schutzmasken hätte doch zum Beispiel die Stadt Jena bereits vorher verfügt. Ja, das hatte sie, den Einwohnern dafür aber auch eine Woche als Übergangsfrist gewährt. Da wurde – wie in Dresden geschehen – nicht erst am Wochenende mitgeteilt, dass am Montag rund 200 000 Schutzmasken an der Goldenen Pforte des Rathauses verteilt werden. Selbst die Stadt Kamenz hat es geschafft, ihren Einwohnern rund 17 000 Stück zuzustellen.

Die bunte Kretschmer-Regierung agiert seit jeher ausgesprochen engstirnig. So waren in Sachsen bislang die Bau- und Gartenmärkte zu, während die Branche anderswo den Frühlings-Boom nutzen konnte. Auch jetzt fehlt es wieder an Zuversicht. Keine Großveranstaltungen bis 31. August? Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein macht vor, was möglich ist: „Wir haben uns verständigt, dass wir als Größenordnung für Veranstaltungen bis zu 1000 Teilnehmer festlegen“, so Daniel Günther am 16. April beim NDR1 Welle Nord. In Sachsen bleiben sogar die großen Museen geschlossen. Und in die weiträumigen Kirchen dürfen nur 15 Personen zur gleichen Zeit. Wie albern ist das denn!

Überhaupt sind die Berliner Beschlüsse vom Ende voriger Woche durchweg halbherzig bis herzlos. Nehmen wir nur mal diese Regelung für den Einzelhandel: Öffnen dürfen wieder Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis 800 Quadratmeter. Mal abgesehen davon, dass die vorherige erzwungene Schließung kleiner Läden unverhältnismäßig war und für deren Inhaber existenzgefährdend, mutet die jetzige Regelung ebenso willkürlich an. Selbst eine allgemeine Verfügung sollte jedoch die sachliche Begründung im konkreten Einzelfall nicht ersetzen.

Da heißt es, Einkaufszentren mit mehreren Einzelgeschäften müssten dabei geschlossen bleiben. Pardon, aber wie soll das z.B. beim Kornmarkt-Center in Bautzen aussehen? Das bislang bereits zum Teil geöffnet hatte. Bleibt es so, wie es zuletzt war, wären die kleinen Läden davon arg betroffen. Dabei haben sie sich ihre Präsenz dort etwas kosten lassen. Zahlen sie jetzt doppelt drauf? Zu Wochenbeginn war noch fast alles dicht. Die einzige größere Ausnahme: Die Filiale von Thalia, also dem Marktführer im Sortimentsbuchhandel. Vielleicht waren einige der Center-Mieter einfach nur überfordert vom Verordnungs-Wirrwarr.

In einer anderen Frage war die Politik dagegen sehr konkret: „Autohäuser dürfen öffnen – ohne Flächenbegrenzung“, so freut man sich auf der Homepage des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie.  Seit Anfang Februar dieses Jahres ist die in Sachen Lobbyismus erfahrene Hildegard Müller dessen Präsidentin. Die einstige Staatsministerin der Bundesregierung wurde vom „Handelsblatt“ mal als „einst Merkels Vertraute“ bezeichnet. Aber „die Dinge so betrachten hieße sie allzu genau betrachten“, das gab bei Shakespeare bereits Horatio dem Hamlet zu bedenken.

Nachdenklich stimmt, dass in Sachsen einige Auflagen verschärft werden, statt sie aufzuheben. Ohne dafür die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Die Bürger werden bevormundet und mit ihren Problemen allein gelassen. (Wie monatelang geschlossenen Kindergärten und abgesperrten Spielplätzen.) Völlig ignoriert werden im Fall des Atemschutzes die Hinweise von sonst gern zitierten Virologen und Epidemiologen. Nämlich dass handgefertigte Modelle kaum was bewirken. Selbst für so wenig ist viel zu beachten. (Wer das nicht wahrhaben will, lese das Mundschutz-Einmaleins oder den Testbericht der Bauhaus-Uni Weimar.)

Dazu ein Zitat aus der TV-Sendung „Brisant“: Experten halten das Tragen eines Mundschutzes, um eine Ansteckung mit Sars-CoV-2 zu vermeiden, derzeit für unnötig. Dem Robert-Koch-Institut liegen keinerlei Belege vor, dass sie das Ansteckungsrisiko für eine gesunde Person signifikant verringern. Die WHO warnt sogar vor dem Tragen der „schützenden“ Masken. Sie würden den Trägern ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln. Dadurch würden andere, viel wesentlichere Schutzmaßnahmen vernachlässigt.

Schnell sind Presse, Funk und Fernsehen in dieser Frage aber gewohnt unkritisch umgeschwenkt. Der medial befeuerte neue Trend: Wir machen das Land zu einer Bastelstube! Der Jurist und Staatsmann Justus Möser (1720-1794) kannte bereits diese prekäre Lust vieler Deutscher nach für sie bequemer Führung: „Der Zwang schimpft und macht aus mutigen, fleißigen und lebhaften Bürgern eine träge, verzagte und kriechende Herde.“ Zumal es hinter einer Maskierung nicht nötig ist, das Gesicht zu wahren. Da ist es egal, ob man sie korrekt trägt – was kaum einer tut, sehen Sie sich doch mal um. Der voriges Jahr verstorbene Wiglaf Droste reimte: „Ist das Hirn zu kurz gekommen, wird sehr gern Moral genommen.“ So ein Satiriker kann ganz schön zynisch sein.

Hans-Georg Prause

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