Extremistisch sind immer nur die anderen

Da sage keiner, das tagtägliche Lesen der örtlichen Zeitung wäre gänzlich ohne Unterhaltungswert. Manchmal ist es sogar recht lustig. Das allerdings eher ungewollt. Zum Beispiel wenn man solche...

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Da sage keiner, das tagtägliche Lesen der örtlichen Zeitung wäre gänzlich ohne Unterhaltungswert. Manchmal ist es sogar recht lustig. Das allerdings eher ungewollt. Zum Beispiel wenn man solche Aussagen liest wie „Linksextremismus existiert in der Region quasi nicht“. Sogar paradox wird es, wenn es außerdem heißt, sich „gegen jede Form des Extremismus“ zu stellen, wäre eine Position, die nicht weit genug gehe. Wer noch immer guten Willens ist, derart Gesagtes und Gedrucktes ernst zu nehmen, dürfte sich veralbert vorkommen.

Kaum zu glauben ist im konkreten Fall, dass Claus Gruhl (Die Grünen) – ein als eher besonnen bekannter Stadtrat – das so gesagt haben soll. Doch die Zitate stehen in einem „SZ“-Artikel mit der Überschrift „Rechter Treff in Bautzen? Das sagen Stadträte“ . Dieses aktuelle Thema trübt eventuell die Erinnerungen an die mehrfach verübten Brandanschläge gegen eine Bautzener Baufirma im zweiten Halbjahr 2019.

Damals brannte es nicht nur auf Baustellen und auf dem Gelände des Unternehmens Hentschke Bau, sondern zuletzt auch mitten in einem Dresdner Wohngebiet, als ein dort geparktes Firmenauto abgefackelt wurde. Auf der linken Internet-Plattform Indymedia erschienen einschlägige Bekennerschreiben. Die Ermittlungen übernahm das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum des Landeskriminalamtes.

So lange ist das gar nicht her. Umso bedenklicher ist es, dass sich jetzt in den sozialen Netzwerken (und leichtfertig übernommen von einigen Medien) schon wieder „Hass und Hetze“ breit machen. Aber nicht nur gebranntes Kind scheut das Feuer. Auch ein Bauunternehmen lässt sich nach so gewalttätigen Aktionen wie denen im Vorjahr nicht mehr alles gefallen. Als einen „Schlag ins Gesicht der Region und unseres Unternehmens“ betrachtet man bei Hentschke Bau deshalb die Art und Weise der Erwähnung der Firma und des Firmenchefs Jörg Drews in einem Beitrag des Berliner „Tagesspiegel“ über „Die Wutbürger an der B96“ .

In einer Stellungnahme heißt es u.a.: „Die Erwähnung unseres Unternehmens in diesem Zusammenhang werten wir als Versuch der gezielten Diskreditierung und Geschäftsschädigung. Wir werden uns deswegen durch unseren Medienanwalt mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln juristisch zur Wehr setzen und sowohl gegen den ‚Tagesspiegel‘ als Medium als auch den Redakteur Sebastian Leber vorgehen.“

So richtig, wie es ist, nicht widerspruchslos alles hinzunehmen, so wenig wird selbst eine öffentlich gemachte Klarstellung irgendwas bewirken. Diese Berliner Zeitung hat sich auf Sachsen allgemein und besonders Bautzen eingeschossen. Man lese nur den Beitrag „Rechte Hegemonie in der sächsischen Provinz“ .

Der wenig ausgewogene Artikel, und das ist eine unverdient höfliche Formulierung, hatte bereits den Bautzener SPD-Oberbürgermeister Alexander Ahrens dazu veranlasst, der Zeitung einen Beschwerdebrief zu schreiben. Dieser wurde vom „TS“-Autor beantwortet, worauf wieder eine Replik des OB folgte. Die Bautzener „SZ“ berichtete darüber mit erkennbarem Vergnügen. An ihr lag es aber nicht, dass Ahrens letztlich keine allzu gute Figur dabei abgab.

Was wiederum die Frage aufwerfen könnte, wie das alles begonnen hatte. Vielleicht ja mit einer frustrierten Annalena Schmidt? Noch im September 2017 twitterte diese junge Frau, sie könne „kotzen, heulen und was auch immer“, weil sie wieder nach Bautzen, „in diese ätzende Stadt“ müsse. Inzwischen sitzt sie als Parteilose für die Grünen dort sogar im Stadtrat. Einst bezeichnete sie diesen zwar mal als „käuflich“ (August 2018). Später gab es die Drohung, in Bautzen ein „Stachel im Fleische“ (Juni 2019) sein zu wollen. Wie diese kleine Chronik zeigt, sind das keine emotionalen Ausrutscher, sondern intellektuelle Aussetzer. Diesmal twitterte sie unverblümt und vulgär, Bautzen sei „komplett am Arsch“ (Juni 2020).

Warum? Da sollte es eine Kundgebung gegen Extremismus geben, aber der Veranstalter und das Programm waren ihr suspekt. Trotzdem gab es eine ideelle Unterstützung durch den lokalen Begleitausschuss des Programms „Partnerschaft für Demokratie“. Das gleiche Gremium, in dem sie Mitglied ist, stellte außerdem Fördermittel u.a. für die „Bautzener Liedertafel“ zur Verfügung. Das sei ein AfD-naher Verein, lamentierte Frau Schmidt. Aber sie wurde wieder überstimmt.

Doch wozu ist sie eine erprobte Netzwerkerin! Beide Sachverhalte wurden erst in den sozialen Medien aufgebauscht und schließlich in der lokalen „SZ“ untergebracht. (Hoffentlich trügt der Eindruck, dass Twitter-Tweets von @schmanle dort bereits zur Redaktionskonferenz gehören.) Von da an war es – wie bereits geschildert – nicht mehr weit bis zu den Artikeln in der überregionalen Presse. Das alles hatte den zweifelhaften Erfolg, dass z.B. die Kundgebung gegen Extremismus abgesagt wurde.

Dieser Tage gab es im Stadtrat von Bautzen nun erstmals eine Stimmenmehrheit für zwei Anträge der AfD. Wobei es um die Ausgestaltung eines Panorama-Fußweges mit Blick auf die Altstadt und den Bau eines Buswartehäuschens ging. Also wahrlich kein Politikum, möchte man meinen. Doch „so normalisiert man eine rechtsextreme Partei“, klagte Annalena Schmidt. „Hier haben CDU, Grüne, SPD und Linke gemeinsam keine Mehrheit.“ Das hatte sie zuvor schon bei ihrem „… am Arsch“-Tweet bedauert. Dabei spiegelt das nur wider, wie die Bautzener denken und fühlen und folgerichtig gewählt haben. Für Frau Schmidt ist das aber wohl das Ende der Demokratie –  jedenfalls wie sie diese versteht.

Die CDU hat vielleicht nichts dagegen, derart von ihr vereinnahmt zu werden, aber das Bautzener Bürger Bündnis (BBB) und die FDP meldeten dringenden Gesprächsbedarf an. Sie wollen dafür den „runden Tisch“ aus der Wendezeit-Abstellkammer hervorholen. Die Antwort von Annalena Schmidt: „Wer für einen AfD-nahen Verein und Unterstützer*innen von Verschwörungsideologien und rechtsextremen Ideen abstimmt, wird bei mir als Gefahr für die Demokratie gewertet!“

Das ist eine ziemlich extreme Einstellung, dazu etwas konfus, politisch jedoch eher linkisch als links. Extremistisch sind sowieso immer nur die anderen. Im Stadtrat sitzt Annalena Schmidt übrigens neben dem eingangs zitierten Stadtrat Claus Gruhl. Dieser könnte seiner Nachbarin helfen, diesen Bibelspruch (Matthäus 7,3) zu verstehen: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“ 

Hans-Georg Prause

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