Leute, zieht euch warm an! Das raten zumindest die deutschen Philologen all denen, die noch zur Schule gehen, also Schülern und Lehrern. Susanne Lin-Klitzing, deren Verbandsvorsitzende, hat auch gleich einen modisch-praktischen Tipp parat und tat ihn jüngst kund: das Zwiebel-Prinzip. Warum aber soll man sich in mehrere Schichten wärmender Kleidung hüllen? Na weil doch nun auch in der kalten Jahreszeit im Unterricht kräftig gelüftet werden soll – wegen Corona und so. Pullover, Schals und Decken müssten zur Grundausstattung gehören. Wahrlich, das ist mitfühlend gedacht. Von einem gefütterten Mund-Nasen-Schutz war allerdings nicht die Rede …
Die allgemeine Einführung einer per „Ampel“ regulierten Maskenpflicht im Unterricht ist sehr wohl im Gespräch. Und da hört der Spaß auf. Beim Gedanken daran fröstelt man innerlich. In Sachsen denkt und handelt man bislang eher nicht so restriktiv. Es ist trotzdem gut, dass in unserer Region sich die Kreiselternräte von Bautzen und Görlitz dagegen aussprechen. Also wehret den Anfängen. Wobei deren Forderungen wesentlich weiter gehen. Die Landesregierung reagierte einem Pressebericht zufolge („SZ“ vom 13. Oktober) „verhalten“ auf einen Offenen Brief der Elternvertreter.
Nun klagen alle über diese Pandemie, dabei bewirkte sie auch Gutes: „Corona drückt Krankenstand im Kreis Bautzen“, das stand in der lokalen „Sächsischen Zeitung“ vom 8. Oktober. Aber bitte keine Aufregung; die Autorin dieses Textes gehört keineswegs zu den Verharmlosern, den Leugnern, den Covidioten – alles Begriffe, mit denen gern jene diskreditiert werden, die mit der offiziellen Corona-Politik nicht konform gehen. Die Faktenlage war einfach so, wie sie eben war. Die Menschen gingen im ersten Halbjahr weniger zum Arzt. Vielleicht war es nicht unbedingt nötig, vielleicht haben sie es sich nicht getraut. Infektionsgefahr allerorten. Deshalb gab es damals sogar die telefonische Krankschreibung. Ja, das alles war schon bizarr! Gesund wurde man dann zuhause von ganz allein.
Vielleicht aber auch nicht. Was gern vergessen oder unterschlagen wird: Wegen der über mehrere Monate in den Krankenhäusern vorgehaltenen Behandlungsplätze für schwer erkrankte Corona-Patienten wurden allein laut der Angaben der Deutschen Krebshilfe bis Mitte Juni rund 50 000 Operationen verschoben. Absehbar fatale Folgen wurden in Kauf genommen. Damals wusste man noch wenig über diese neuartige Infektion und deren mögliche Folgen. Trotzdem bedarf das einer kritischen Aufarbeitung. Selbst wenn man hinterher stets klüger ist.
Aber auch schlauer? Neuerdings schürt wieder die Panikmache seitens der Politik und ihrer öffentlich-rechtlichen Medien mit einem wie durch Scheuklappen eingeengten Blick auf die steigenden Infektionszahlen die Urängste vieler Menschen. Wenn die Bundeskanzlerin Angela Merkel eine tägliche Zunahme von bis zu 19 200 Neuinfektionen bundesweit für möglich hält, dann hört sich das ja apokalyptisch an, wie selbst der Virologe Hendrik Streeck u.a. bei einer „ARD Extra“-Sendung einräumte. „Aber im Grunde sollte uns das keine Angst machen. Weil ein milder Verlauf oder ein Verlauf ohne Symptome nicht so stark zum Infektionsgeschehen beiträgt.“
Professor Streeck twitterte bereits am 17. September: „Wir müssen aus diesem Dauer-Alarmismus herausfinden …“ Am 10. Oktober wurde er von merkur.de mit dieser Aussage zitiert: „Die Infektionszahlen sagen nur bedingt etwas aus, weil nur ein geringer Anteil wirklich eine medizinische Versorgung braucht.“ Wobei die Testpraxis nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Weniger Covid-19-Infizierte müssen in Krankenhäuser, noch weniger dort auf die Intensivstationen. Gegenüber der „Fuldaer Zeitung“ verwies der Bonner Virologe in einem Gespräch auf fast 30 000 zur Verfügung stehende Intensivbetten. Dabei gab es laut Robert Koch-Institut (RKI) am Stichtag 12. Oktober bundesweit lediglich 590 Fälle in intensivmedizinischer Behandlung. Das alles ist bekannt, wird aber von mancher Seite nur ungern wahrgenommen. Doch um mit Aldous Huxley zu sprechen: „Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.“
In diese Rubrik gehört auch die Diskussion um die sogenannte Sterberate. Es ist unglaublich, wie weit dabei die Experten auseinander liegen. In dem bereits erwähnten Interview der „Fuldaer Zeitung“ mit Hendrik Streeck wird auf die von dem Virologen genannte undramatischen 0,37 Prozent verwiesen. Bei Focus Online nannte Ende voriger Woche der Charité-Virologe Christian Drosten eine Infektionssterblichkeit – also der Anteil der Infizierten, der infolge der Covid-19-Erkrankung stirbt – von „rund einem Prozent oder etwas mehr“. Einige Tage zuvor twitterte er noch von „unter 1 %“ Anteil der Verstorbenen und verwies als Vergleich auf den „Höchststand von 7 % in der 16. KW 2020“. Dagegen liegen die aktuellen RKI-Angaben bei rund 3,1 Prozent und also wesentlich höher.
„Wir liegen lieber ungefähr richtig als exakt falsch.“ Hat der US-amerikanische Großinvestor Warren Buffet mit dieser augenzwinkernden Devise seine guten Geschäfte gemacht? Die für ihn vom Wirtschaftsmagazin „Forbes“ ausgewiesene 80,5 Milliarden Dollar wären dafür ein Argument. Doch der Umgang mit der Corona-Pandemie hierzulande hat weiterhin eher etwas von „trail and error“, von Versuch und Irrtum. Die Folge: Manche vertrauen noch immer der Regierung, andere trauen ihr längst alles zu.
Beide Seiten, also der Vorzeige-Virologe Christian Drosten und das Robert Koch-Institut als eine Bundesbehörde sowieso, beraten übrigens die Bundesregierung. Vielleicht erklärt das so manches. Zumal dann, wenn dabei noch politische Interessen ins Spiel kommen. Wie etwa beim Streit um die Hoheit bei den Anti-Corona-Maßnahmen. Die Berliner Zentralgewalt möchte nur zu gern den Föderalismus aushebeln. Das alles sei doch ein großer Flickenteppich. Nur wäre jede Gleichmacherei absurd angesichts der Zahlen.
So gab es z.B. am 13. Oktober allein im Freistaat Bayern 73 788 akute Corona-Fälle, doch nur 40 526 insgesamt in allen neuen Bundesländern, sogar den Problemfall Berlin inklusive. Das ist zugleich nur rund die Hälfte der Infektionen von Nordrhein-Westfalen. Doch das Markus Söder-Land liegt mit 562 Fällen pro 100 000 Einwohner unangefochten vorn.
Bei allen nur zu verständlichen Vorbehalten: Sich auf der Homepage des Robert Koch-Institutes zu informieren, ist besser, als nur die zu Medienbeiträgen umgeschriebenen öffentlichen Verlautbarungen zu lesen. Noch besser ist es, sich selbst Gedanken zu machen und auch anderweitig um- und zuzuhören.
In Bautzen hatte man am vergangenen Dienstag dazu eine Gelegenheit. Die Corona-Info-Tour machte Halt auf dem Schützenplatz. Mit dabei u.a. Dr. Bodo Schiffmann aus Sinsheim, ein populärer, gern auch mal etwas polemischer Kritiker der Anti-Corona-Maßnahmen und längst politisch korrekt versehen mit dem Prädikat „umstritten“. Sein querdenkender Mitstreiter Samuel Eckert stellte einen Videobericht über die Bautzener Kundgebung online. Besonderen Beifall gab es vor Ort von den trotz der ungünstigen Vormittagszeit gekommenen vielen Teilnehmern für seine Feststellung: „Hier stehen keine Rechten, sondern rechtschaffene Menschen.“
Hans-Georg Prause
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