Von Frust, Freud und Feldversuch

„Test the West“, erinnern Sie sich? Das war einst der Werbeslogan für eine Zigarettenmarke. Puh, heutzutage ist das natürlich verpönt. Vergessen ist der Spruch jedoch nicht, denn in...

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„Test the West“, erinnern Sie sich? Das war einst der Werbeslogan für eine Zigarettenmarke. Puh, heutzutage ist das natürlich verpönt. Vergessen ist der Spruch jedoch nicht, denn in den Wendejahren bekam er eine ganz andere, nicht nur unterschwellige Bedeutung: Test the West eben. Ob bestanden oder nicht, sei hier offengelassen.

Zu solchen gedanklichen Abschweifungen kann es kommen, wenn wieder eine neue Corona-Sau durchs Pandemie-Dorf gescheucht wird. Denn nun heißt es „Test the Test“ oder ähnlich. Während bislang Zweifel an den diversen Tests, deren Methoden und Aussagekraft als böswillige Unterstellungen abgetan wurden, lässt der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach jetzt selbst eine sogenannte Positivliste für Schnelltests erstellen. Das aber stellt rückwirkend einiges infrage.

Als Begründung dafür muss Omikron als neue Covid-19-Variante herhalten. Wie für einiges andere mehr. Nicht zuletzt für die weitere Verschärfung all jener Maßnahmen, mit denen Corona nun aber ganz bestimmt Einhalt geboten werden könnte. Lauterbach jüngst in der ARD zum Stichwort 2G-Plus: Das sei zwar „ein wichtiger Schritt nach vorne“, werde aber nicht reichen. Bringt ein bislang als Ultima Ratio angesehener Booster also doch nicht so viel? Dürfen oder sollen es nun zwei, drei oder noch mehr Spritzen werden? Die bereits gefallene Entscheidung, Impfzentren bis zum Jahresende offen zu lassen, lässt diese Befürchtung aufkommen.

Ja, noch immer wollen Politiker und ihnen zuarbeitende – böse Zungen sagen: ihnen zu Diensten stehende – Mediziner und Wissenschaftler in deutscher Manier den totalen Sieg über das Virus. Sei es auch ein Pyrrhussieg. Es geht längst nicht mehr darum, was richtig ist; da will jemand einfach nur recht behalten.

Das bekommen zunehmend selbst Impfwillige zu spüren. Ein ihnen versprochenes normales Leben rückt deshalb in weite Ferne. Der Frust wird groß und größer. Was auch sie nun zunehmend und öffentlich protestieren lässt. Zehntausende Demonstranten – von Hamburg über Frankfurt/M. bis München und im Osten sowieso – das können nicht nur Impfskeptiker sein.

Auch unter den sich zu Hunderten allmontäglich im Bautzener Stadtgebiet treffenden „Spaziergängern“ sind sicherlich nicht wenige, die sich zwar mehr oder bereitwillig impfen ließen, aber einfach nicht länger unwidersprochen die lebensfremden Corona-Restriktionen und die damit einhergehende Diskriminierung ihrer ungeimpften Mitbürger hinnehmen wollen. Alle Ermahnungen, nicht „mit Nazis“ zu demonstrieren, gehen ins Leere, je mehr Leute auf die Straße gehen.

Der Bautzener SPD-Oberbürgermeister Alexander Ahrens liegt mit solchen Vorwürfen (in der lokalen „SZ“ vom 8./9. Januar) auf der Längenwelle von Twitter-Accounts wie „Antifa Zeckenbiss“, wo Anfang dieser Woche gepostet wurde, wie „Rechtsextreme“ in Bautzen auf der Reichenstraße eine Polizeikette durchbrechen. Das ins Netz gestellte Video lässt diese Zuordnung aber gar nicht zu. Trotzdem schlägt auch die lokale Berichterstattung der „Sächsischen Zeitung“ immer wieder in die gleiche Kerbe.

Sollte die sächsische Landesregierung nun über den Schatten ihres Ministerpräsidenten springen und am Freitag die lächerliche 10-Personen-Beschränkung für Demonstrationen aufheben, dürfte es kaum noch vorkommen, dass Polizisten und Demonstranten aneinander geraten. Dann gehören Zwischenfälle wie jener, als zivilen „Spaziergängern“ von Uniformierten unvermittelt in den Rücken getreten wurde, der Vergangenheit an.

Mit solchen Übergriffen von Einsatzkräften schaffte es Bautzen mal wieder in die überregionalen Medien. Während „SZ“, MDR und Co. jedoch sehr zurückhaltend berichteten, verlinkte WELT online sogar ein Video von dem Vorfall, Stichwort Polizeigewalt.

Nun, es gibt ebenso Aufnahmen davon, wo sich Teilnehmer der Montagsdemos mit der Polizei anlegten. Die Zündschnur an einer drohenden Eskalation war bereits recht kurz geworden. Das alles ist umso bedauerlicher, weil es zuvor bei diesen stets behördlich genehmigten Kundgebungen über Monate hin ruhig und gesittet zugegangen war. Da sicherte die Polizei nur ab. Der Schlagstock blieb am Gürtel, das Pfefferspray in der Tasche. Aber je länger es so ruhig blieb, umso unruhiger wurde es in der Staatskanzlei, in Parteizentralen, in Redaktionen.

Nun, was nutzt es den Schafen, wenn der Hirte selbst ein Schaf ist. Das sich jedoch ausgerechnet der Sachse Michael Kretschmer plötzlich als starker Mann in Szene setzen wollte, entbehrte nicht einer gewissen Komik. Wie auch der Vorgang, dass kürzlich im Landtag ein Antrag der AfD auf Aufhebung der Beschränkungen bei Demonstrationen zwar mit vielen bösen Worten abgelehnt wurde, die Landesregierung dann jedoch trotzdem in diesem Sinne entschied. Die Alternativen dürften sich ins Fäustchen gelacht haben.

Das alles hat letztlich wenig mit der Pandemie, umso mehr mit Politik zu tun. Deshalb tut ein Umdenken not. Aus Schaden klug zu werden, ist jedoch leider nur eine Redewendung und keine Gesetzmäßigkeit. Man muss sich zuvor seiner begangenen Dummheiten bewusst werden.

Noch als Kanzlerkandidat der SPD sprach Olaf Scholz im Wahlkampf Anfang September von jenen, die bereit waren, sich impfen zu lassen, als „Versuchskaninchen“. War das nur eine Freudsche Fehlleistung, die beim „Stern“ online abrufbar ist? Das könnte man meinen. Wenn seine Genossin und Parteichefin Saskia Esken dann aber Ende Dezember im ZDF beim „Morgenmagazin“ über das Impfen als einen weltweiten „Feldversuch“ spricht, lässt das kaum noch wohlwollende Interpretationen zu.

Umso größer wird der Erklärungsbedarf. Sind denn die Menschen für diese Leute nur noch eine Manövriermasse? Laut des US-amerikanischen Schriftstellers Erskine Caldwell (1903-1987) gleicht eine gute Regierung einer geregelten Verdauung. „Solange sie funktioniert, merkt man kaum etwas von ihr.“ In Deutschland jedoch grassiert seit langem eine gesellschaftliche Diarrhö -und daran ist nicht nur Corona schuld.

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