Wer kann sich in Bautzen noch an die Doppelstockbusse erinnern, die vor ca. 60 Jahren im hiesigen Waggonbau für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) gebaut wurden? Bevor zu RGW- Zeiten ab den 1960er Jahren die Omnibusse für die DDR fast nur noch aus Ungarn, in geringerem Umfang auch aus Polen und der Tschechoslowakei geliefert wurden, gab es im Land selber zahlreiche kleinere Hersteller bzw. Aktivitäten, verschiedene Busmodelle auch aus zugelieferten Teilen zusammenzubauen. So lieferte der Waggonbau Bautzen für den von der BVB selber konstruierten Doppelstockbus Do 54 im Jahre 1954 zunächst nur den Rahmen zu. 1956 wurden dann 79 komplette Busse gebaut und nach Berlin geliefert. In Weiterentwicklung dieser Fahrzeuge und als Do 56 bezeichnet, erstellte man von 1957 bis 1959 weitere Doppeldecker bis zu der stattlichen Anzahl von insgesamt 190 Fahrzeugen für Berlin. Doppelstockbusse prägen bis heute das Stadtbild der Spreemetropole.
Über die in etwa der gleichen Zeit in Bautzen hergestellten Busanhänger ist schon in einer früheren Ausgabe des Bautzener Boten berichtet worden. Von 1952 bis 1958 lieferten die Bautzener Waggonbauer zudem die Karosserien für den Omnibus Horch H3B nach Zwickau. Es war damals echt viel los, mit Kreativität und Zusammenarbeit versuchte man, der stetigen Mangelwirtschaft Paroli zu bieten.
Ein erhaltener und mustergültig restaurierter Vertreter der Serie Do 56 konnte zum Busfest „110 Jahre Bus in Dresden“ am Wochenende 6./ 7. April 2024 im Betriebshof Trachenberge bestaunt werden. Natürlich waren auch viele andere Bustypen ausgestellt und bei Rundfahrten unterwegs, die ebenso in Bautzen und der Oberlausitz gefahren sind. Es entstand so die Idee, einmal auf die Geschichte des Busverkehrs in Dresden und um Bautzen herum zurückzublicken, wobei der regionale Busverkehr wohl grundsätzlich noch einmal etwas älter ist. In Geschichte und Fahrzeugpark gibt es zahlreiche Parallelen. Die Lausitz hat noch die Besonderheit, dass dort bis in die jüngere Vergangenheit hinein auch Busse gebaut worden sind, und zwar nicht nur in Bautzen selbst.
Beginnen wir einmal in Dresden. Das gefeierte Jubiläum bezieht sich auf die Aufnahme des Linienverkehrs zwischen der Nürnberger Straße und dem Bahnhof Neustadt am 1. April 1914, also richtig innerhalb der Stadt. Die Route verlief über Albertplatz, Neustädter Markt, Augustusbrücke, Schloßstraße, Altmarkt und Hauptbahnhof und war 4, 8 km lang. (Der Kraftomnibusverkehr hat damit in Dresden eine wesentlich kürzere Tradition, als die „vielbesungene“ elektrische Straßenbahn.)
Allerdings hatte es vorher relativ lange, nämlich von 1838 bis 1913 in Dresden schon einen Pferdebus- Verkehr gegeben. D.h., die Wagen zur Personenbeförderung wurden von Pferden gezogen. Der Dampfomnibus von 1986 war dagegen das erste Busfahrzeug, das sich aus eigener Kraft fortbewegen konnte. Er verkehrte zwischen dem Waldschlösschen und dem Weißen Hirsch und soll aber die Umgebung in Angst und Schrecken versetzt haben, so dass die Polizei nach kurzer Zeit dem Spuk durch die Stilllegung ein Ende gemacht hat.
Ein Urahn des Busses mit Verbrennungsmotor in Sachsen ist interessanterweise ein Jagdomnibus mit 10 Sitzen, den der Coswiger Fahrzeugbauer Emil Nacke im Jahre 1906 für den Sächsischen König herstellt hat. Nacke eröffnete auch die erste Buslinie im Dresdner Raum: Seit 1912 verkehrte sie von Meißen über Brockwitz nach Weinböhla. (Also um Dresden herum ist der Bus- Überlandverkehr auch etwas älter, als in der Stadt selbst.)
Christoph Pohl
(Fortsetzung folgt)