Am 17. Oktober 2019 wird die Eisenbahnstrecke (Dresden-) Klotzsche- Königsbrück ein (halb-) rundes Jubiläum haben. D.h., in diesen Wochen und Monaten vor 135 Jahren wurde zwischen beiden Orten fleißig gewerkelt, denn die verschiedenen Eisenbahnbautrupps waren damit beschäftigt, die Strecke aufzubauen und fertigzustellen. Sie hatte damals einen etwas anderen Verlauf und folgte bis Lause der heutigen Straßenbahnlinie via Weixdorf. Es ist heute fast völlig in Vergessenheit geraten, dass die Eisenbahn 1884 als Schmalspurbahn eröffnet und im Jahre 1897 auf Normalspur umgebaut wurde.
In den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche Eisenbahnstrecken in Betrieb genommen, um die wirtschaftliche Entwicklung zu beschleunigen. Abseits der Hauptverbindungen beschäftigte man sich mit der Planung und Errichtung von Lokalbahnen. Für den Eisenbahnanschluss der Stadt Königsbrück setzte sich unter mehreren Möglichkeiten schließlich die Verbindung nach Klotzsche und der Anschluss an die ehemalige Sächsisch- Schlesische Eisenbahn Dresden- Görlitz durch. Weil die künftige wirtschaftliche Entwicklung als mäßig eingeschätzt wurde und die höheren Betriebskosten bei einer Normalspurbahn nicht gerechtfertigt schienen, entschied man sich für den Bau als Schmalspurbahn.
Nach einjährigen Bauarbeiten wurde die Strecke mit der in Sachsen bei Schmalspurbahnen üblichen Spurweite von 750 mm am 17. Oktober 1884 eröffnet. In erster Linie wurden Ton- und Glaswaren, Kohle, Granitsteine, Holz und Düngemittel befördert. Der Personenverkehr hatte dagegen nur geringen Umfang, weil die von der Bahn berührten Orte nur wenige Einwohner hatten. Schon ziemlich zeitig erwiesen sich die über das Verkehrsaufkommen gemachten Prognosen aber als falsch. Personen- und Güterverkehr nahmen ständig zu und stiegen in den ersten zehn Betriebsjahren auf das Doppelte der Anfangszeit! Die Bahnanlagen reichten für dieses Verkehrsaufkommen nicht mehr aus und so tauchten bald Pläne für den Umbau in eine Normalspurbahn auf. Gleichzeitig sollte die Strecke bis nach Schwepnitz verlängert werden.
Für die Umspurung wurde eine Reihe von Bedingungen festgelegt, um die Umbaukosten in Grenzen zu halten. Der Betrieb der Schmalspurbahn sollte bis zum Tag der Umstellung ohne Beeinträchtigung weitergehen und große Abweichungen von der alten Trasse vermieden werden. So fand man eine geradezu geniale Methode für den Umbau: Man wechselte einige Schwellen in breitere aus und verlegte die neuen Schienen außen neben dem Schmalspurgleis. Die Züge fuhren also vor und nach der Umstellung eine Zeit lang auf einem Vierschienen- Gleis. Die inneren (Schmalspur-) Schienen wurden nach der Umstellung abgebaut. (Eine andere Schmalspurbahn, die ebenfalls wegen des hohen Verkehrsaufkommens umgespurt wurde, ist die Strecke Heidenau- Altenberg. Dort waren aber weit aufwändigere und damit teurere Umbauten und Korrekturen bis hin zum Neubau von Tunnels und Brücken notwendig.)
Nach wiederum einjährigen Bauarbeiten wurde die Betriebsumstellung am 1. April 1897 durchgeführt, für die Fahrzeugwirtschaft verlief sie ohne Probleme: Die Normalspur- Fahrzeuge standen in Klotzsche bereit und der letzte Schmalspurzug fuhr einfach nicht wieder nach Königsbrück zurück. Lokomotiven und Wagen wurden an andere Strecken abgegeben. Die Anschlussstrecke nach Schwepnitz wurde am 30. September 1899 eingeweiht. Dafür wurde das Pulsnitztal kurz hinter Königsbrück mit einem genieteten Stahlviadukt überquert. Etwa 35 Jahre später, am 17. 12. 1934 wurde die Strecke nach Straßgräbchen Bernsdorf eröffnet und erhielt damit Anbindung an die eingleisige Hauptbahn Kamenz- Senftenberg.
Aus der Zeit der Schmalspurbahn sind Versuche mit Behältern interessant, die als Vorläufer der heutigen Container angesehen werden können. Um das auf Spurwechselbahnhöfen notwendige Umladen zwischen Schmal- und Normalspurgüterwagen zu vermeiden, entwickelte man Umsetzkästen, die auf schmal- und normalspurigen Untergestellen transportiert werden konnten. Die Königlich- Sächsische Staats- Eisenbahn erprobte sie auf der Strecke Klotzsche- Königsbrück, weil dort zerbrechliche Tonwaren eine besondere Umladetechnologie erforderten. Dazu wurde in Klotzsche ein kranartiges Umladegerät errichtet. Doch kam man von den Umsetzkästen bald wieder ab, da mit den Untergestellen Leerläufe aufgetreten sein sollen. Heute hat sich das Container- Transportsystem längst bewährt und durchgesetzt, die Behälter werden nicht nur mit der Eisenbahn, sondern auch mit LKW und Schiffen transportiert. Bei den Schmalspurbahnen wurde in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Rollbock- und Rollwagenverkehr eingeführt. D. h. normalspurige Güterwagen konnten auf Schmalspurwagen oder -drehgestelle aufgeladen werden – aber die Königsbrücker Strecke war ja da schon umgespurt.
Heute hat die Strecke Klotzsche- Königsbrück noch wichtige Aufgaben im Personennahverkehr zu erfüllen. Im Stundentakt verkehrt bis zu 19 mal täglich ein Triebwagen von Dresden Hbf. nach Königsbrück und zurück. Güterverkehr wird zur Zeit nicht durchgeführt, er könnte aber jederzeit wieder aufgenommen werden, denn die entsprechenden Bahnanlagen sind noch vorhanden. (Das würde sich aber ändern, wenn statt der Eisenbahn die Dresdner Straßenbahn als Außenstrecke nach Königsbrück fahren würde, denn sie hat mit 1450 mm eine um 15 mm größere Spurweite, als die Eisenbahn. Solche Überlegungen hat es gegeben – es wäre dann bereits die zweite Umspurung der Strecke!)
Auf der Anschlussstrecke hinter Königsbrück nach Schwepnitz bzw. Straßgräbchen- Bernsdorf wurde 1998 der Personenverkehr abbestellt. Der letzte Zug fuhr am 24. 05. 1998 und die Strecke wurde 2001 stillgelegt. Der Viadukt über das Pulsnitztal macht auch heute noch ohne Zugverkehr einiges her, leider verfällt er aber zusehends. Er hat im kommenden Jahr auch ein Jubiäum, denn er wird im Oktober 2019 120 Jahre alt.
Christoph Pohl