In einer feierlichen Zeremonie präsentierten die Stadtverwaltung und die Volksbank Bautzen am 26. November eine 14 Bände umfassende Chronik, die der Bautzener Bürger Karl Friedrich Techell zwischen 1818 und 1845 zusammenstellte. Sie enthält regionale und überregionale Informationen und Überlieferungen, die bis in das Jahr 800 zurück reichen und mit detailreichen Illustrationen versehen sind. Von 1876 bis 2006 galt die „Techell-Chronik“ als verschollen, nun konnte sie erworben, restauriert, digitalisiert und für Geschichtsfreunde nutzbar gemacht werden. Oberbürgermeister Christian Schramm bezeichnete dies als „Glücksfall für jeden Bautzener Geschichtsfreund“.
Entstehungsgeschichte der „Techell-Chronik“
Die Chronik des Karl Friedrich Techell entstand über einen Zeitraum von 27 Jahren. Seine Motivation benennt er im Vorwort der Budissiner Annalen wie folgt: „Da ich nun von jeher ein Liebhaber der Geschichte und warmer Freund unseres Vaterlandes gewesen, so fand ich leider, in denen …. Chroniken unserer Stadt, nicht allein viel unzuverläßiges und unzulängliches, sondern was das Schlimmste ist: man achtete es nicht der Mühe werth, diese vorgefundenen Nachrichten weiter fort zu setzen, und dadurch die Nachwelt von unseren Thun und Treiben zu benachrichtigen.“ Zum Schreiben seiner „Budissiner Annalen“ hat ihn wahrscheinlich die Beschäftigung mit dem Schützenwesen der Stadt angeregt, dessen Geschichte er ab 1806 in zwei Bänden aufschrieb. Der Band 2 dieser „Schützen-Chronik“ ist heute noch im Museum Bautzen erhalten, Band 1 gilt als verschollen. Statistisch gesehen hat Techell über 27 Jahre lang jeden Tag ca. 1,5 Seiten aufgeschrieben.
Zum Ende seines schaffensreichen Arbeitslebens begann er am 24. Februar 1818 im Alter von 59 Jahren chronikalische Nachrichten über seine Heimatstadt Bautzen und weit darüber hinaus aufzuschreiben. Für die ersten Bände, in denen er noch nicht zeitgenössisch berichtete, nutzte er die eigene, wahrscheinlich umfangreich vorhandene Sammlung in seinem Haus in der Lauenvorstadt sowie die Chroniken der Stadt, die sich wahrscheinlich in der Stadtbibliothek am Hauptmarkt befanden. Bis zum Jahr 1827 hatte er fünf Bände erarbeitet, die die Jahre von ca. 800 bis 1728 umfassten. In der Nacht vom 12. zum 13. April 1827 erlebte die Chronik ihre ersten dramatischen Stunden. Das Haus der Familie brannte wie viele andere der Lauenvorstadt ab. Techell konnte die nur leicht beschädigte Chronik retten. In den folgenden Jahren wuchs die Chronik auf 14 Bände an, die Aufzeichnungen reichen bis in das Jahr 1844. Da er scheinbar merkte, dass ihm die Kräfte schwanden, konzentrierte er sich nach Band 14 auf die Anfertigung eines umfangreichen Registerbandes, den er im Dezember 1845, im Alter von 87 Jahren und vier Wochen vor seinem Tod abschließen konnte.
Techell schrieb seine Nachrichten auf Foliopapier, die Seiten wurden erst im Nachgang zusammengebunden. Inhaltlich entwickelte er erst bei den letzten Bänden eine gewisse Struktur zwischen Aufzeichnungen aus Bautzen, der Oberlausitz, Deutschland und auch aus dem Ausland. Er selbst benannte diese Rubriken „Budissin, Vaterland, Städte und Ortschaften, Biographien, Erfindungen und Entdeckungen, Sprichwörtliche Redensarten.“ Die auch inhaltliche Vielfalt der Aufzeichnungen verdeutlicht ein Blick in den Registerband. Unter dem Buchstaben „E“ finden sich beispielsweise die Stichpunkte Eisgruben, Emporkirchen, Entführung, Erdbeben bis hin zu Eroberungen und Eide. Die Bände haben jeweils zwischen 900 und 1.300 Seiten. Neben den Aufzeichnungen enthalten sie eine Vielzahl an einmontierten Druckschriften, Kupfer- und Stahlstiche, Lithographien sowie Porträts, die aus der langjährigen Sammlungstätigkeit Techells stammen müssen. Viele dieser Druckschriften sind heute sicher auch in Altbeständen von Bibliotheken bzw. auch in Archiven überliefert. In Techells Chronik finden sich diese aber für die 20er bis 40er Jahre des 19. Jh. sehr kompakt. Besonders schön ist, dass er seine eigenen Steuerbescheide und auch Flugschriften des Rates mit einarbeitete. So sind Drucke, die der Rat in der Bürgerschaft verteilte und die meist in den Ratsakten als absendende Stelle nicht enthalten sind, erhalten geblieben.
In einigen Bänden befinden sich Zeichnungen, die teilweise mit hoher fachlicher Qualität ausgeführt worden sind. Mindestens die Zeichnungen vom Rathaus, von der Mönchskirche und vom Dom St. Petri entstammen aus der Feder seines jüngsten Sohnes, Heinrich Friedrich, der sich bereits im Alter von 17 Jahren an der Akademie der Bildenden Künste München in das Fach „Baukunst“ eingetragen hatte und um 1832 als königlich-sächsischer Architekt in Dresden lebte.
Bedeutung der Chronik, Verlust und Wiederkehr
Techells Chronik wurde von zeitgenössischen Geschichtsforschern gern und oft genutzt. Besonders Carl Wilke, der 1843 seine „Chronik der Stadt Budissin (Bautzen) von der Erbauung der Stadt bis 1830“ veröffentlichte, benannte Techells Chronik als eine Quelle „von unschätzbarem Werte“. Gegen Ende des 19. Jh. bedauerten die Geschichtsforscher wie Baumgärtel, Reymann und Wilhelm, dass sich die Chronik leider nicht mehr in Bautzen befindet und „uns leider verloren gegangen ist“. Dieser Verlust war eingetreten, da Techells Erben, insbesondere sein Sohn Karl Ernst, der letzte direkte Nachkomme, dem Wunsch des Vaters zur Abgabe der Chronik an die Stadtbibliothek Bautzen nicht nachgekommen war, sondern die Chronik scheinbar bei seinem Umzug nach Dresden im Jahr 1868 dorthin mitgenommen hatte. Nach dessen Tod 1876 verliert sich die Spur der Chronik.
Im Oktober 2006 erhielt der Archivverbund Bautzen einen Anruf eines privaten Autographensammlers aus Nordrhein-Westfalen, der auf die unmittelbar bevorstehende Auktion einer Bautzener Chronik in einem Berliner Auktionshaus hinwies. Auf Grund der Kürze der Zeit verständigte sich der Archivverbund Bautzen mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Abt. Handschriften, dass diese versuchen sollte, die Chronik zu ersteigern und damit wenigstens nach Sachsen zu holen. Dass misslang. Den Zuschlag erhielt die Johannes a Lasco Bibliothek Emden unter ihrem damaligen Leiter Dr. Walter Schulz. Nach dessen Abberufung setzte sich der Archivverbund mit Januar 2009 mit dem neuen Leiter der Bibliothek in Verbindung und erfragte Möglichkeiten zur Übernahme der Techellschen Chronik nach Bautzen. Seitens der Bibliothek wurde einer Übergabe nach Bautzen sofort zugestimmt, allerdings unter der Voraussetzung, dass die durch die Bibliothek beim Erwerb verausgabten Mittel beglichen werden müssten.
Die Leitung des Bautzener Archivverbundes nutzte die guten Kontakte zur Volksbank Bautzen eG und informierte den Vorstand über die Bemühungen zur Rückkehr der Techellschen Chronik nach Bautzen. Ende des Jahres 2010 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat, die Chronik anzukaufen und dem Archivverbund als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. Nach Abholung der Chronik und Bewertung des Zustandes wurde beschlossen, die Chronik im Sinne einer Nutzung vollständig zu restaurieren, zu digitalisieren und zu verfilmen, was von der Volksbank ebenfalls finanziell großzügig unterstützt wurde. Nach Abschluss dieser Maßnahme wird die Chronik am 26. November erstmals öffentlich im Rathaus präsentiert und ist ab dem 8. Januar 2013 im Rahmen einer Ausstellung der Volksbank in der Goschwitzstraße zu sehen.
Die Chronik hat eine besondere Bedeutung für die Stadt Bautzen, weil sie aus bürgerschaftlicher Perspektive über einen längeren Zeitraum verfasst wurde und der Autor authentisch über eigenes Erleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berichtet. Besonders wertvoll sind die einmontierten Druckschriften und Lithographien. Bei Techell findet man diese Druckschriften für den o. g. Zeitraum sehr kompakt vor, teilweise auch Druckschriften, die der Rat an seine Bürger verteilte und die in der Überlieferung der Verwaltung nicht immer vorhanden sind. Besonders wertvoll sind auch die in hoher architektonischer Qualität angefertigten Zeichnungen vom Dom, dem Rathaus und der Mönchskirche, die aus der Feder seines Sohnes Heinrich Friedrich stammen, der Architektur studierte und um 1832 als kgl.-sächsischer Architekt in Dresden tätig war. Interessant sind aber auch die anderen, meist zeitgenössischen Zeichnungen.
Techell selbst betonte in seinem Testament, dass er seine historischen Notizen „nicht mit Gelehrsamkeit zusammengetragen“ hat. Und er fügte hinzu „Vielleicht das in derselben für die Nachwelt doch noch etwas Nützliches zu finden ist.“ Auch war er sich über seine Chronik bewusst, indem er in seiner Testamentsänderung hinzufügte, dass es sich dabei um „gewiß das einzige in dieser Art in Budissin“ handelte. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Biographisches zu Karl Friedrich Techell
Karl Friedrich Techell wurde am 6. Januar 1759 als zweites von vier Kindern der Eheleute Jakob Techel und Sophia Katharina, verwitwete Groß, in Bautzen geboren. Seine Geschwister waren Christiane Sophie (1755-1837), Friederika Rosina (1761-1818) und Sophia Eleonora (1764-1812). Der Vater war ein angesehener Kupferschmied mit eigener Werkstatt in Bautzen. Die Familie wohnte von 1783 bis mindestens zum Verlust des Hauses durch einen Brand in der Lauenvorstadt im April 1827 im Haus 441, der ehemaligen Äußeren Lauenstraße 12. Das Haus wurde 1995 abgetragen.
Nach dem Besuch der Volksschule erlernte Karl Friedrich in der Werkstatt seines Vaters das Handwerk des Kupferschmieds und war selbst über viele Jahre als solcher tätig. So ist es nicht verwunderlich, dass er später zum Oberältesten seiner Innung gewählt wurde. Er war seit 1780 Mitglied der Bürgerschaft und in dieser anerkannt und geachtet. Aus diesem Grund nahm er neben seiner beruflichen Tätigkeit eine Reihe von bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Ämtern wahr. Besonders zu nennen ist dabei seine Ende 1835 erfolgte Wahl als Stadtverordneter. Ab Januar 1836 war er als Vertreter der „ansässigen Bürgerschaft“ in diesem wichtigen Gremium tätig. Außerdem bestimmte er als Stadtfeldwebel des Äußeren Lauenviertels, welcher Bürger seines Quartiers Wachdienst am Lauentor zu halten hatte. Er war aber auch ehrenamtlich über viele Jahre hinweg sehr aktiv. So bekleidete er in der Bautzener Waisenversorgungs-Anstalt das Amt des Waisenkurators „mit Lust und Liebe und wie ich glaube nicht ohne Nutzen“, wie er selbst in seinem Testament sagt. Von dieser Tätigkeit zeugt auch die Sammelbüchse, die er 1824 selbst aus Kupfer schmiedete und die er dem Bautzener Waisenhaus stiftete. Diese Sammelbüchse befindet sich heute im Bestand des Muserums Bautzen. Techell war auch Ältester und Kassenverwalter der Großen Brüderschaft, die von den Handwerksinnungen als Begräbniskasse gegründet worden war.
Seine Freizeit und persönliche Leidenschaft aber galt dem Schützenwesen und der Geschichte seiner Stadt. 1799 widmete Techell den Bautzener Schützen und der Freiwilligen Bürgergarde nach einer Wette und seinem 1798 gemachten Königsschuss auf der Scheibe zwei große Messingtrommeln im Wert von 14 Talern, die sich heute im Museum Bautzen befinden. Eingesetzt wurden diese Trommeln später beim jährlichen Schützenumzug. Von 1806 bis 1831 fungierte er als Ältester des Schützenwesens in Bautzen. Techell berichtete in seinem Testament, dass er eine aus zwei Bänden bestehende „Budissins Schützen-Chronik“ verfasst hat. Während sich heute der zweite Band, welcher chronologisch die wichtigsten Daten zum Bautzener Schützenwesen von 1817 bis 1836 wiedergibt, im Museum Bautzen befindet, gilt der erste Band leider als verschollen. Als Schützenältester stiftete er auch ein Silberschild, das zum Schatz der städtischen Schützenanstalt gehörte. Angeregt durch die Beschäftigung mit der Geschichte des Schützenwesens begann er im Jahr 1818 mit seinen Budissiner Annalen.
Techell war dreimal verheiratet, in erster Ehe 1789 mit Maria Dorothea geb. Grün, die jedoch schon 1792 im Alter von 22 Jahren verstarb. Die 1789 geborene Tochter Amalia Fredericka (1789-1850) bekam 1793 durch Techells zweite Heirat mit Christiana Elisabeth geb. Berndt, eine Stiefmutter und mit Karl Ernst (1799-1876) und Emilie Juliana (1801-1840) zwei Halbgeschwister. Leider verstarb auch seine zweite Ehefrau, so dass er 1803 ein drittes Mal heiratete. Aus dieser Ehe mit Rosina Sophie, geb. Clauss, entstand der Sohn Heinrich Friedrich (1804-1835), der Architektur studierte und die Chronik des Vaters mit Zeichnungen von Bautzener Gebäuden bereicherte.
Karl Friedrichs Leben endete am 14. Januar 1846, kurz nach seinem 87. Geburtstag, in Bautzen. Seine Grabstätte befand sich auf dem Taucherfriedhof. Das Grab ist heute nicht mehr auffindbar.
Quelle: Stadtverwaltung Bautzen