Die „Rache“ des Journalisten ist das Archiv. Der Österreicher Robert Hochner sprach das einst gelassen aus und es wurde daraus ein geflügeltes Wort. Der TV-Moderator vom ORF meinte aber damit (und mit drohendem Unterton) die Politiker und verzichtete auf verharmlosende Gänsefüßchen. Hier jedoch ist dieses Zitat eher mit einem Augenzwinkern zu lesen. Denn in dem folgenden Beitrag geht es schließlich „nur“ um Fußball, konkret um Budissa Bautzen.
Doch ist es denn trotzdem fair, gerade jetzt in der Ablage zu blättern und daran zu erinnern, dass Cheftrainer Reimund Linkert seinerzeit für die inzwischen laufende Spielzeit in der Fußball-Regionalliga als Zielstellung verkündete: „Wir wollen einen einstelligen Tabellenplatz.“ Schon damals gab es nicht wenige skeptische Stimmen. Aber sollte denn Linkert mit der Aussage in eine neue Saison starten, man wolle lediglich nicht absteigen? Fester Wille hat schließlich schon so manchen Wunsch wahr werden lassen. Inzwischen steht Budissa allerdings auf einem Abstiegsplatz. Das ist die traurige Wirklichkeit. Als Tabellenvorletzter muss auch gar nicht länger spekuliert werden, wie viele Absteiger es dieses Jahr geben wird. Zwei sind es auf jeden Fall. Es geht also nicht um Fairness, sondern vor allem um die Fakten.
In Bautzen gehen so langsam die Lichter aus. Solche Sprüche waren nach dem Oberlausitz-Derby am vergangenen Freitag (Endstand 0:0) zu erwarten. Der zeit- und teilweise Flutlicht-Ausfall passt aber auch zu gut ins Bild, das sich auf der Müllerwiese bot. Es sah für die Gastgeber in diesem Abendspiel sehr finster aus, als sie es ohne große Gegenwehr zuließen, eine Halbzeit lang von Neugersdorf regelrecht vorgeführt zu werden. Dass die Oberländer ihre Torchancen nicht nutzen konnten, hatte – je nach Sichtweise – viel mit Pech und Glück zu tun. Reimund Linkert sprach nach dem Spiel von „Angsthasenfußball“, womit er den sprichwörtlichen Schwarzen Peter seinen Spielern unterjubelte. Vielleicht stimmte anfangs aber auch die taktische Einstellung nicht? Schließlich zeigten die Bautzener in der zweiten Spielhälfte, wozu sie wirklich fähig sind.
Es sah aus, als hätte man sie von der Leine gelassen. Gäste-Trainer Vragel da Silva konstatierte nach dem Spiel erstaunt, man habe in der zweiten Halbzeit nicht einmal aufs Bautzener Tor geschossen. Und das nach der Dominanz in den ersten 45 Minuten! Das druckvolle Spiel der wie verwandelten Budissen ließ aber eben nicht mehr zu. War es der reine Frust? War es Wut im Bauch? Wollte man sich vor 1200 Zuschauern nicht weiter so blamieren? Ganz egal, was die Spieler zu dieser tollen Leistung motivierte: Künftig bitte mehr davon! Es ist ja fast schon ein Phänomen, dass Budissa stets in der zweiten Halbzeit stärker spielt. Nur reichte es bislang zu selten (noch) zum Sieg.
Nur ein Dreier, drei Unentschieden, sieben Niederlagen – das war und ist zu wenig. Zumal die Tabellennachbarn ihrerseits Punkte sammeln. Für knappe Resultate gibt es zwar keinen Bonus, doch die Bautzener sollten das mal beantragen. Oft fehlte ihnen nur ein Tor zum Punktgewinn; deutlich verloren wurde lediglich beim Berliner AK. Zuhause gegen den aktuellen Tabellenführer Jena sowie auswärts beim Ex-Drittligisten in Cottbus (im RBB sogar direkt übertragen) und unlängst bei den ambitionierten Nordhausenern gab es jeweils nur ein 0:1 – man unterlag also denkbar knapp. Und das sind alles Vereine mit besseren personellen und finanziellen Voraussetzungen, als sie Budissa hat. Doch gegen andere „Kellerkinder“ wurden die fehlenden Punkte eben auch nicht geholt. Es blieb bislang bei dem Sieg über das noch erfolglosere Schlusslicht Neustrelitz.
Dass angesichts einer solchen Bilanz der Trainer offen Rede stehen und Antworten finden muss, liegt in der Natur der Sache. Schauen wir noch mal in die Aufzeichnungen der Vorsaison: Zehn Spiele ohne Sieg führten in der Rückrunde zur Entlassung von Thomas Hentschel. Für ihn machte dann sein „Co“ Reimund Linkert (vorerst interimsmäßig) weiter. Danach gab es zwölf Punkte aus elf Spielen. Mit dem Abstieg hatte Budissa nichts zu tun. Nun sind wieder sind elf Spiele ausgetragen, doch es wurden nur halb so viele Punkte gewonnen. Was aber sollen solche direkten Vergleiche bringen? Auf der Trainerbank änderte sich in der Sommerpause zwar nichts, umso mehr beim Spielerkader. Viele junge Spieler laufen jetzt in Weiß und Schwarz auf. Die Fußballplätze in der der Regionalliga sind aber keine Spielwiesen. Sie erweisen sich insbesondere für die Neuen als ein hartes Pflaster.
Doch gelobt sei, was hart macht. Den Philosophen-Spruch ins Fußball-Einmaleins übertragen heißt: Wer erfolgreich sein will, der muss auch dorthin gehen, wo es weh tut. Was zu beweisen sein wird. Demnächst spielt Budissa in der Regionalliga gegen die Leipziger Vereine: bei Lok am 30. Oktober und am 6. November zuhause gegen RB II. Nicht um Punkte, sondern eher ums Prestige geht es am 11. November in Bautzen beim Pokalspiel gegen den Chemnitzer FC – wieder unter Flutlicht übrigens. Die Westsachsen spielen bislang eine gute Saison in der 3. Liga, sind also klarer Favorit. Warum aber soll sich Budissa nicht mal so richtig gut in Szene setzen?! Der Anstoß erfolgt zwar nicht 11 Uhr 11, sondern 19 Uhr. Es ist also schon Karneval. Und im Fußball geht es manchmal ja auch närrisch zu.
Hans-Georg Prause
Diskutiere mit