Das allgemeine Wohl betreffend

Wussten Sie, dass es einen „GemeinwohlAtlas 2015“ gibt? Die Handelshochschule Leipzig hat ihn Anfang dieses Monats vorgelegt (www.gemeinwohlatlas.de). Rund 8000 Meinungen holten die Wissenschaftler dafür ein. Nun können...

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Wussten Sie, dass es einen „GemeinwohlAtlas 2015“ gibt? Die Handelshochschule Leipzig hat ihn Anfang dieses Monats vorgelegt (www.gemeinwohlatlas.de). Rund 8000 Meinungen holten die Wissenschaftler dafür ein. Nun können fast 130 Unternehmen, Institutionen und Organisationen nachschlagen, wie ihr Beitrag zum Gemeinwohl der Gesellschaft von der Öffentlichkeit gesehen wird – fern der oft PR-gepflegten Selbstdarstellung.
Dass Feuerwehr und DRK, Technisches Hilfswerk und andere Hilfsorganisationen die besten Publikumswerte vorweisen können, wenn es um das Gemeinwohl geht, überrascht nicht. Deren Angehörige stehen auch bei der Bewältigung der akuten Flüchtlingskrise, man verzeihe mir den martialischen Ausdruck, an vorderster Front. Täglich werden sie mit den Problemen der Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern konfrontiert. Der Dank ist oft ein ungemütlicher Platz zwischen Baum und Borke: Draußen wird gepöbelt, drinnen geht man sich an den Kragen.
Die Zahl der Angriffe auf Asylunterkünfte, wozu auch rein verbale (158) gezählt werden, ist laut einer Analyse des Bundeskriminalamts (BKA) in den ersten drei Quartalen 2015 bundesweit auf 505 gestiegen. Die meisten Straftaten, nämlich 121, ereigneten sich in Nordrhein­-Westfalen, also „im Westen“. Etwa mehr als jedes zehnte Delikt (57) entfiel auf Sachsen. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt, passt aber ebenso wenig ins eifrig gezeichnete Zerrbild einer extremen Fremdenfeindlichkeit. Und nimmt man allein die bloßen Zahlen, dann ist die Situation in Flüchtlingsunterkünften um einiges dramatischer. Laut dem TV-Magazin „exakt“ des MDR vom 4. November registrierte dort die Polizei im 1. Halbjahr 2015 allein für Sachsen 491 Gewalttaten.
Aber was hat mich nun eigentlich mehr überrascht? Dass es Konflikte solchen Ausmaßes unter Asylbewerbern gab und gibt? Oder dass in einem öffentlich-rechtlichen Medium mal Klartext gesprochen wurde? Vielleicht haben die regionalen „Dritten“ einen guten Ruf, weil sie eben näher dran sind. Im „GemeinwohlAtlas“ findet man sie auf Platz 11, also vor ARD (15) und ZDF (17). Wer in der großen Politik etwas auf sich hält, macht es sich trotzdem oft in der ersten Reihe bequem oder hält sich das zweite Auge zu, um die Realitäten nicht sehen zu müssen. Zu lange wurden so die Folgen einer verfehlten Flüchtlingspolitik ignoriert.
Diese Kritik kommt auch von 48 Bürgermeistern des Landkreises Bautzen in einem kaum öffentlich gewordenen Offenen Brief von an das Kanzleramt in Berlin. Einige Auszüge brachte am 5. November die „SZ“ – nicht gedruckt, sondern online (http://www.sz-online.de/sachsen/was-buergermeister-von-merkel-wollen-3242460.html.) Ein Zitat: „Mit zunehmender Besorgnis sehen wir, wie die Abkehr vom sozialen Frieden, von der inneren Sicherheit und den menschlichen Werten unser Land gefährdet.“ In Verkennung der Lage legte das Landratsamt den Gemeinden stattdessen eine vorformulierte Selbstverpflichtungserklärung zur Aufnahme von Flüchtlingen vor. Die DDR lässt grüßen.
So richtig gut kam das bei den Bürgermeistern auch nicht an. Sie sehen die Bundesregierung in der Pflicht. Salopp gesagt: Wer bestellt, der bezahlt. Das Vertrauen zu den Regierenden ist jedoch ganz allgemein nicht groß: Im „GemeinwohlAtlas 2015“ reicht es für die Bundesregierung gerade mal zu Platz 42.

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