„Es muss anders werden, wenn es gut werden soll“

„Alles in der Welt lässt sich ertragen, nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.“ Ein etwas banaler, jedoch klassischer Ausspruch; J. W. Goethe fand ihn ja einst des...

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„Alles in der Welt lässt sich ertragen, nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.“ Ein etwas banaler, jedoch klassischer Ausspruch; J. W. Goethe fand ihn ja einst des Notierens würdig. Inzwischen hat uns längst der Alltag wieder. Vorbei sind die Fest-, Feier- und Brückentage. Die meisten Leute feierten Weihnachten, weil eben die meisten Leute Weihnachten feiern (frei nach Kurt Tucholsky). Und Silvester? Nüchtern bedacht war da kein Ende und kein Anfang, sondern es ging einfach weiter. Das neue Jahr hätte auch ganz ohne uns, ohne Sektkorken, Blitzknaller und Feuerwerk begonnen. Doch wie heißt es so schön in einem Couplet in der „Fledermaus“ von Johann Strauss: Es ist halt mal so Sitte …

Gegen alle guten Sitten verstoßen hatte der WDR, als er seinen Kinderchor das lustige Lied von der Oma, die im Hühnerstall Motorrad fährt, singen ließ, dabei aber glaubte, es parodistisch aufmotzen zu müssen. Aus der einst „ganz patenten Frau“ wurde eine „Umweltsau“. Alles nur Satire? „Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.“ So hatte sich wenige Wochen zuvor die deutsche Fridays for Future-Gruppe geäußert. Alles nur Zufall? Wie heißt es faustisch bei (schon wieder) Goethe: „Was ihr den Geist der Zeiten heißt, / Das ist im Grund der Herren eigner Geist, / In dem die Zeiten sich bespiegeln.“

Weiß man beim WDR nicht, dass sich ganz schnell nass macht, wer derart gegen den Wind pinkelt? Es regt sich der Verdacht, dass in diesem öffentlich-rechtlichen Funkhaus kaum jemand eine Ahnung davon hat, wie draußen wirklich der Wind weht. So konnte ein freier Mitarbeiter des WDR noch nachlegen und die Umwelt- sogar zur „Nazisau“ machen. Damit war diese Rundfunkanstalt erst richtig in die Kacke getreten. Zu dem dazu passenden Shitstorm in den Sozialen Medien kamen nun leibhaftige Proteste von Beitragszahlern vor der Senderzentrale in Köln.

Das aber waren, wen wundert’s, alles nur ach so böse Rechte. Nun gut, auch einige bedauernswerte Fehlgeleitete demonstrierten vor dem WDR-Gebäude mit. Das musste man dann doch zugeben. In der öffentlichen Berichterstattung kam aber bald kaum noch der Fauxpas des WDR mit dem albernen Kinderlied zur Sprache, sondern berichtet wurde, dass sich die deshalb beschimpften Journalisten, Redakteure und andere Medienmacher nun diskreditiert und bedroht fühlten. Doch wie heißt es bei Wilhelm Busch: „Entrüstung ist ein erregter Zustand der Seele, der meist dann eintritt, wenn man erwischt wird.“ Dabei war die Anstalt nah dran gewesen, glaubhaft für diese misslungene Satire um Entschuldigung zu bitten (Intendant Tom Buhrow). Die Aufregung hätte sich bestimmt bald gelegt. Aber nein, stattdessen wurden so peu à peu die Opfer zu Tätern gemacht.

„Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode.“ Auch Shakespeare („Hamlet“) kannte seine Pappenheimer (die aber zu Schillers „Wallenstein“ gehören). Während der leidige Kinderlied-Streit eher virtuell ausgetragen wurde, ging es kurz darauf in Leipzig, es war in der Silvesternacht, extrem gewalttätig zur Sache.

Bei Krawallen im Stadtteil Connewitz sah sich die Linksaußen-Szene allein schon von der Anwesenheit (!) der Polizei provoziert und schlug zu. Selbst die linkstrendige „Süddeutsche Zeitung“ schrieb über diese „Rituale der Gewalt“ und bemühte sich um eine sachliche Bestandsaufnahme. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) warnte nach diesen Ausschreitungen vor „gewaltbereiten Linksextremisten“ . Wobei ihn das aber kaum überrascht haben dürfte. Erst rund zwei Wochen zuvor wurden in Connewitz bei einer Demo gegen Polizeigewalt (!) mehrere Polizisten verletzt … Vorgeplänkel für das, was in der Silvesternacht passierte.   

Um nochmal auf die Münchener „SZ“ zu verweisen: Selbst diese nannte es „ritualisierte Gewalt-Folklore“, nicht ohne aber (man ist ja eher „links“), der Polizei, auf die eingeprügelt, die mit Steinen und Flaschen beworfen und mit Feuerwerkskörpern beschossen wurde, ein „Armutszeugnis“ auszustellen. Wenige Tage später wurde in manchen Medien übrigens darüber diskutiert, ob der in ein Krankenhaus eingelieferte Polizist wirklich notoperiert werden musste oder ob es „nur“ eine normale OP war. Ganz nach dem Motto: Es wird schon nicht so schlimm gewesen sein.

Doch es geht noch schlimmer: Die Polizei war selbst schuld! In diesem Sinne twitterte Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke: „Uff. Cops raus aus Connewitz gewinnt nach diesem Jahreswechsel ne neue Bedeutung. Ekelhafte Polizeigewalt, überrennen unbeteiligter, wirre Einsatzmanöver, kalkulierte Provokation.“ Vielleicht ist ihr Tweet so zu erklären: Bei der Landtagswahl gewann sie mit 27,4 Prozent das Direktmandat im Wahlkreis Leipzig 2; dazu gehört neben sieben weiteren auch der Stadtteil Connewitz. Übrigens wurde von ihr später eine leichte Abschwächung dieser mitternächtlichen Äußerung nachgereicht. Sie fordert nun u.a. „mehr Zurückhaltung“– allerdings von der Polizei.  

Tja, da fehlen einem die Worte. Leihen wir uns diese von Georg Christoph Lichtenberg, passend zum noch so jungen neuen Jahr: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“

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