Fernfahrer halten sich (fast alle) ans Überholverbot

Nachdem nun seit etwa vier Wochen auf der BAB 4 in Fahrtrichtung Dresden zwischen den Anschlussstellen Pulsnitz und Hermsdorf ein Überholverbot für Nutzfahrzeuge über siebeneinhalb Tonnen zulässigem Gesamtgewicht...

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Nachdem nun seit etwa vier Wochen auf der BAB 4 in Fahrtrichtung Dresden zwischen den Anschlussstellen Pulsnitz und Hermsdorf ein Überholverbot für Nutzfahrzeuge über siebeneinhalb Tonnen zulässigem Gesamtgewicht besteht, zieht die Polizeidirektion Görlitz ein erstes Fazit für diesen Zeitraum. Dazu Polizeipräsident Torsten Schultze:„Trotz zahlreicher festgestellter Verstöße – der überwiegende Teil der Fernfahrer hält sich an die neue Regelung. Die Situation hat sich auf der BAB 4 zwischen dem Burkauer Berg und der Landeshauptstadt nach der Auflösung der Baustelle zwischen Pulsnitz und Ottendorf-Okrilla etwas entspannt. Unsere Kontrollen haben sich in Fernfahrerkreisen zudem offenbar herumgesprochen und zeigen Wirkung. Doch der Einsatz, den wir dafür Tag für Tag leisten, ist hoch.“

Seit Ende Oktober stellten Streifen der Verkehrspolizeiinspektion und des Einsatzzuges der Polizeidirektion auf dem etwa elf Kilometer langen Autobahnabschnitt in Fahrtrichtung Dresden insgesamt 81 Verstöße gegen das Lkw-Überholverbot fest. Auf die betroffenen Fernfahrer kommen gemäß des bundesweit einheitlichen Tatbestandskataloges ein Bußgeld von 70 Euro sowie ein Punkt im Zentralregister in Flensburg zu. Mit der Ahndung der Ordnungswidrigkeiten wird sich die Bußgeldstelle der Landesdirektion Sachsen befassen.

Darüber hinaus stellten die Polizisten in den zurückliegenden etwa vier Wochen weitere 93 Verkehrsordnungswidrigkeiten fest, die auf der BAB 4 zwischen Hermsdorf und der Landesgrenze zu Polen durch die Fahrer eines Lkw oder Kleintransporter begangen wurden. Dabei handelte es sich beispielsweise um Fälle,

  • bei denen der Mindestabstand (bei Lkw von 50 Metern) zum Vorausfahrenden nicht eingehalten wurde,
  • die Ladung nicht ausreichend gesichert worden war,
  • die Lenker während der Fahrt ein Mobiltelefon genutzt hatten,
  • den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatten oder
  • unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen.

Dabei gestalteten sich die Rahmenbedingungen für die Polizisten schwierig. Der einzige Ort, auf dem Streckenabschnitt zwischen den Anschlussstellen Pulsnitz und Ottendorf-Okrilla die mit verbotenen Überholmanövern aufgefallenen Lkw zeitnah anhalten und kontrollieren zu können, ist der Autobahnparkplatz „Am Eichelberg“ bei Ottendorf-Okrilla. Bestand da allerdings aufgrund der begrenzten Anzahl an Lkw-Stellplätzen keine Möglichkeit, wichen die Beamten mit den betroffenen Gespannen beispielsweise in ein angrenzendes Gewerbegebiet aus. Die Polizisten überprüften bei der Gelegenheit natürlich auch die Sicherung der Ladung, die Lenk- und Ruhezeiten des Fahrers oder auch die zuvor gefahrenen Geschwindigkeiten des Lkw, welche aufgezeichnet werden. Dazu sagt Polizeipräsident Schultze: „Verkehrspolizeiliche Arbeit trägt nicht nur zur Sicherheit auf unseren Straßen und damit zum Wohle zahlreicher Menschen bei, sie beugt auch ein Stück weit Straftaten vor. Denn die Autobahn zwischen Dresden und Görlitz ist auch häufig Verbringungsroute der grenzüberschreitenden Kriminalität. Diebe und Einbrecher schrecken vor Straftaten eher zurück, wenn sie fürchten, von der Polizei kontrolliert zu werden. Die polizeiliche Arbeit auf und neben der BAB 4 ist daher ein Schwerpunkt der Polizeidirektion Görlitz.“

 

Hintergrundinformationen

Die BAB 4 ist zwischen Görlitz und Dresden eine der Hauptrouten des grenzüberschreitenden Schwerlastverkehrs von und nach Osteuropa. Gleiches gilt für Berufspendler, die aus Polen oder dem Baltikum kommend in Deutschland, Westeuropa oder Großbritannien arbeiten. Auch für Arbeitnehmer aus den Landkreisen Bautzen sowie Görlitz stellt die zweispurige Autobahn quasi eine Hauptschlagader dar. Für Gewerbetreibende ist sie in der Region zudem die wichtigste Möglichkeit, um Güter und Erzeugnisse zum Kunden zu bringen. So nutzen täglich zigtausende Pkw, Kleintransporter und Lkw den etwa 100 Kilometer langen Autobahnabschnitt.

Der Verkehrsfluss verläuft auf der BAB 4 zwischen Görlitz und Dresden nicht linear. Vielmehr weist er neben verkehrsarmen Zeiten, beispielsweise in den Nächten der Wochentage Dienstag bis Donnerstag, insbesondere vor und nach Wochenenden oder Feiertagen deutliche Spitzen auf. Bei diesen Wellen, die in der Regel ab Sonntagabend bis Montagabend in Richtung Westen und ab Freitagmittag bis Samstagnachmittag in Richtung Osten rollen, kommt die Autobahn 4 zwischen Dresden und Görlitz an manchen Stellen aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens schnell an ihre Belastungsgrenze. Gleiches gilt für den morgend- und nachmittaglichen Berufspendlerverkehr aus und in die Oberlausitz. Im Fokus steht der westliche Streckenteil, etwa zwischen dem Burkauer Berg und der Landeshauptstadt Dresden. Die Folge sind häufig Staus oder gar Unfälle.

Bei nächtlichen Kontrollen stellen die Streifen der Verkehrspolizei entlang der BAB 4 auch immer wieder überfüllte oder bereits an den Zufahrten zugestellte Parkplätze fest. Hieraus können gefährliche Situationen oder gar Unfälle mit schwerwiegenden Folgen entstehen. Daher schreiten die Beamten regelmäßig ein und schicken manchen Fernfahrer weiter, wenn dieser auf den begrenzten Flächen einfach keinen Stellplatz findet.

Schwierig wird es, wenn Schwerlasttransporte die Autobahn nutzen. Das kommt auf der BAB 4 zwischen Dresden und Görlitz beinah in jeder Nacht vor. Sie können aufgrund ihrer Gewichte oder Ausmaße zumeist nur an ausgewählten Stellen anhalten oder zur Pause abgestellt werden. Nicht selten kommt es vor, dass Polizisten die Autobahn kurzzeitig sperren müssen, damit die überlangen Gespanne rückwärts zurück auf die Strecke gelangen können – da die Ausfahrten zugeparkt wurden oder einfach kein Platz zum Rangieren bestand.

Parallel zur BAB 4 verlaufen in den Landkreisen Bautzen und Görlitz nur wenige, gut ausgebaute, überregionale Straßen, die im Falle hohen Verkehrsaufkommens oder Stau den Reiseverkehr adäquat aufnehmen können. Aufgrund weiter Umwege ist die Nutzung der Autobahnen 13 und 15, als quasi „Nordumfahrung“ an Cottbus vorbei, für die meisten Speditionen aus wirtschaftlichen Gründen auch keine wirkliche Alternative.

Polizeiliche Feststellungen im Alltag auf der BAB 4

Der zahlenmäßig hohe Anteil des nationalen und grenzüberschreitenden Schwerlastverkehrs setzt der BAB 4 in Ostsachsen spürbar zu. Da die meisten Firmen heutzutage „just in time“ ihr Lager aus Kostengründen quasi auf die Straße verlegt haben, geht das Lkw-Transportgewerbe auch mit einem hohen Termin-, Leistungs- und Konkurrenzdruck einher. Die Folgen sind an Ergebnissen polizeilicher Kontrollen sowie an Unfällen unter Beteiligung von Lkw ablesbar.

Beispiel 1 – Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

Die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h auf Autobahnen ist heutzutage beinah Standard. Geschwindigkeitsbegrenzer in modernen Lkw sind nicht selten auf Werte um etwa 90 km/h eingestellt – was der Gesetzgeber aufgrund abzurechnender Messtoleranzen allerdings zumindest ein Stück weit toleriert. Die damit verbundenen Verkehrsordnungs-widrigkeiten für zu schnelles Fahren werden zumeist billigend in Kauf genommen.

Bei Geschwindigkeitskontrollen haben Polizisten auf der BAB 4 zwischen Görlitz und Dresden im laufenden Jahr 2017 bislang rund 247 derartige Geschwindigkeitsverstöße von Nutzfahrzeugen festgestellt. Die Ordnungswidrigkeiten wurden entweder im vereinfachten Verfahren direkt vor Ort mit einem Verwarngeld bis zu 55 Euro geahndet oder der Bußgeldstelle der Landesdirektion zur weiteren Bearbeitung gemeldet.

Beispiel 2 – Fehler beim Überholen und deren Folgen

Möglichst schnell von A nach B kommen zu müssen, ist für viele Fernfahrer ein täglich einwirkender Druck. Sie überholen daher andere Lkw, um sich bis zum Ziel einen Vorteil von wenigen Minuten herauszuarbeiten. Minuten, die im Zweifel aber darüber entscheiden können, ob sie bei einer Firma heute noch oder doch erst morgen Laden oder Abladen dürfen. Der Umstand, dass gemäß der Straßenverkehrsordnung alle Kraftfahrzeuge eigentlich nur mit deutlich höherer Geschwindigkeit überholen dürfen – die herrschende Meinung spricht hierbei von einem Plus von mindestens 20 km/h – tritt mit Blick auf die Realität oftmals vollkommen in den Hintergrund.

Die Folgen der Lkw-Überholmanöver sind nicht selten Kollisionen durch Ausscher- oder Bremsmanöver im fließenden Verkehr, die neben teils schweren Verletzungen auch Stau, Zeitverzug und Stress für viele Reisende zur Folge haben können.

Im Jahr 2017 registrierte die Polizei auf der BAB 4 zwischen der Landesgrenze bei Görlitz und der Anschlussstelle Hermsdorf bis einschließlich Oktober 178 Verkehrsunfälle, an denen Lkw oder Kleintransporter mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis dreieinhalb Tonnen beteiligt waren. Das entspricht einem Wert von etwa jedem dritten Unfall. In 27 der Fälle war die Ursache auf Fehler beim Ausscheren oder Überholen sowie unzureichenden Sicherheitsabstand zurückzuführen. Bei den Kollisionen wurden insgesamt elf Personen verletzt, zwei davon schwer.

Beispiel 3 – Verstöße gegen Fahrpersonalvorschriften sowie das Sonn- und Feiertagsfahrverbot

Moderne Lkw werden heutzutage aufgrund europaweit einheitlicher Vorgaben mit digitalen Kontrollgeräten ausgerüstet. Sie zeichnen neben der Geschwindigkeit des Fahrzeugs auch die Lenk- sowie Ruhezeiten der Fahrer auf. Bei Kontrollen stellen Polizisten immer wieder Überschreitungen der fahrpersonalrechtlichen Vorgaben in der Form fest, das Pausen zu kurz oder gar nicht eingehalten, dafür aber die Fahrzeiten teils erheblich überschritten werden. Ursache dafür ist sicherlich auch der hohe Termindruck in der Transportbranche.

Im Jahr 2017 haben Polizisten auf der BAB 4 zwischen der Landesgrenze bei Görlitz und der Anschlussstelle Hermsdorf insgesamt 527 Verstöße gegen die Fahrpersonalvorschriften und 180 Verstöße das Sonn- und Feiertagsfahrverbot festgestellt. Die Ahndung dieser Verkehrsordnungswidrigkeiten obliegt der Bußgeldstelle der Landesdirektion sowie dem Bundesamt für Güterverkehr.

Beispiel 4 – Fälschungen technischer Aufzeichnungen

Mit der Einführung digitaler Kontrollgeräte haben sich schnell auch Personen gefunden, die die technischen Systeme auf verschiedene illegale Weise manipulieren. Das kann strafbar sein! Beispielsweise können manipulierte Systeme geringere Geschwindigkeiten oder kürzere Lenkzeiten, als tatsächlich gefahren, aufzeichnen. Die Fernfahrer oder Speditionen schaffen sich auf diese unlautere Weise einen wirtschaftlichen Vorteil.

Derartige Fälschungen zu entdecken und beweissicher zu dokumentieren zu können, aber auch das erst seit einigen Jahren verstärkt in den Fokus der polizeilichen Arbeit gerückte Thema der Vermögensabschöpfung, erfordert ein hohes Maß an Fachwissen, Akribie und vor allem auch die Zeit für aufwendige Untersuchungen. Denn immer dann, wenn die Verkehrspolizisten und Ermittler einer solchen Straftat nachgehen, stehen sie für andere Aufgaben verständlicherweise nicht gleichzeitig an anderer Stelle zur Verfügung.

Im Jahr 2017 entdeckten Beamte der Verkehrspolizeiinspektion der Polizeidirektion Görlitz bisher 33 Fälle, bei denen technische Aufzeichnungen in Nutzfahrzeugen verfälscht oder digitale Kontrollgeräte manipuliert worden waren. Davon erfüllten 20 Sachverhalte den Tatbestand einer Straftat. Die Ergebnisse der Ermittlungen wurden und werden nach dem Abschluss der polizeilichen Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Görlitz vorgelegt.

Beispiel 5 – sogenannte „rollende Zeitbomben“

Auch die Untersuchung des technischen Zustands der Lkw erfordert ein hohes Maß an Fachwissen. Da die tonnenschweren Fahrzeuge besondere Risiken im öffentlichen Straßenverkehr mit sich bringen, gilt es hier, ganz genau hinzuschauen.

Die Beamten müssen die wichtigen Komponenten eines Fahrzeugs begutachten und erhebliche, die Sicherheit gefährdende Mängel erkennen können. Hierbei stehen insbesondere die Lenkung, die Federung, die Bremsanlage sowie der tragende Rahmen der Nutzfahrzeuge im Fokus. Haben die Verkehrspolizisten Mängel festgestellt, ziehen sie in der Regel einen technischen Sachverständigen zu Rate, der die betroffenen Lkw gutachterlich genau unter die Lupe nimmt.

Ist ein Laster verkehrsunsicher, folgt neben einer entsprechenden Ordnungswidrigkeitenanzeige gegen den jeweiligen Fernfahrer und/oder den Halter des Lkw auch die sofortige Stilllegung oder die Untersagung der Weiterfahrt, bis die Mängel in einer Fachwerkstatt repariert wurden.

Im Jahr 2017 haben Verkehrspolizisten auf der BAB 4 und anderen Straßen der Landkreise Bautzen und Görlitz bei den bisherigen Kontrollen insgesamt 324 Fällen technische Mängel an Nutzfahrzeugen festgestellt. In bislang 69 dieser Fälle waren die Mängel derart erheblich und sicherheitsgefährdend, dass die Beamten die Lkw, Auflieger oder Anhänger an Ort und Stelle stilllegten. In weiteren 72 Fällen untersagten sie den Fernfahrern bis zu einer Reparatur die Weiterfahrt.

Ausblick

Die Autobahnpolizei und der Verkehrsüberwachungsdienst der Polizeidirektion werden ihre Kontrollen auf der BAB 4 zwischen Dresden und Görlitz auch in den kommenden Monaten unverändert fortsetzen. (tk)

Text+ Bilder: POLIZEIDIREKTION GÖRLITZ

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