Bomben auf Belgrad – bald wird es 20 Jahre her sein. Auf dem Balkan eskalierte der sogenannte Kosovo-Krieg. Verbündete Streitkräfte mehrerer NATO-Staaten, darunter auch die deutsche Luftwaffe, begannen am 24. März 1999 mit Angriffen auf die damalige Bundesrepublik Jugoslawien. Bei dieser militärischen Aktion Deckname Operation Allied Force wurden über 28 000 Sprengkörper abgeworfen – auch auf zivile Ziele. Es gab dafür kein UN-Mandat, es lag kein Bündnisfall vor, es war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Damit hatte Westeuropa seine Unschuld verloren. Es ließ sich von den USA in einen Krieg hinein ziehen. Nicht zum letzten Mal: Irak, Libyen, Syrien …
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer war damals vielleicht kein einsamer Rufer in der Wüste. Doch es gab wenige Politiker, die wie er gegen diese militärische Aggression ihre Stimme erhoben. Aber das wollte man nicht hören. Nicht seitens der rot-grünen Bundesregierung, selbst nicht in seiner eigenen Partei. Ihm wurde von der CDU intern das Rederecht im Plenum des Bundestages verweigert. Mundtot machen ließ er sich jedoch nicht. Er verteidigte den Parlamentsvorbehalt für den Einsatz der Bundeswehr. Er war gegen eine forcierte Aufrüstung und lehnte Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Kurz gesagt: Willy Wimmer hat sich die Ehrung mit dem „Bautzener Friedenspreis“ mehr als verdient!
Dieser Mann, Jahrgang 1943, gehörte über drei Jahrzehnte für die CDU dem Bundestag an. Er war Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, also der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Wenn Willy Wimmer etwas sagt, wenn er zum Beispiel davor warnt, dass Deutschland heutzutage zum Aufmarschgebiet für einen Angriff auf Russland werden könnte, dann sollte man ihm zumindest zuhören. Doch selbst das will manch einer nicht.
Wer davor aber die Ohren verschließt, der wird sich wohl auch die Augen zuhalten, wenn dieser Tage wieder US-Militärtransporte in Richtung Osten durch Sachsen und Brandenburg rollen. Rund 3500 Soldaten und hunderte Fahrzeuge mit Kriegsgerät sind angekündigt. Liebend gern wird das als Truppenaustausch verharmlost. Doch so „normal“ ist das nicht.
Entgegen anderen Zeitungen ist dieses Thema z.B. der „Freien Presse“ in Chemnitz mehr als nur eine Zehn-Zeilen-Meldung wert. Sie legt in einem ausführlichen Beitrag sogar den Finger auf eine schwärende Wunde, die mit dazu geführt hat, dass das Verhältnis zu Russland so vergiftet ist: „Da die Nato-Grundakte eine dauerhafte Stationierung von westlichem Militär an der Nato-Ostflanke untersagt, rotieren die Truppen im Neun-Monats-Rhythmus. Faktisch führt diese Praxis jedoch zu einer Nato-Dauerpräsenz nahe der Grenze zu Russland, was in Moskau für anhaltende Kritik sorgt.“
Willy Wimmer sieht das alles auch sehr kritisch. Er spricht darüber, veröffentlicht Artikel, verfasst Bücher. Er war und bleibt dabei Politiker. Wenn zum Beispiel Dirk van Laak, Professor für deutsche und europäische Geschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts an der Universität Leipzig, laut „Sächsischer Zeitung“ in den Äußerungen des ehemaligen Außenpolitikers „keinen fachlich diskutierbaren Beitrag“ erkennen kann, dann ist das seine zu akzeptierende Meinung. Willy Wimmer allerdings „verschwörerische Absicht“ zu unterstellen, ist vielleicht ein wenig unseriös für jemanden, der sich auf die „Erkenntnisse der Fachwissenschaft“ beruft. Mit solchen Aussagen macht sich ein Universität-Professor gemein mit Leuten wie dem Bautzener Grünen-Stadtrat Claus Gruhl, der meint, Wimmer fühle sich in Bautzen anscheinend hofiert „wie ein alter Rockstar, der noch mal einen Baumarkt eröffnen darf“. Das ist nicht unoriginell, doch es fehlt selbst ein Minimum an Respekt vor der Lebensleistung eines älteren Mannes, der sich eben nicht auf seinen politischen Meriten ausruht.
Laut dem hier bereits angesprochenen Beitrag der lokalen „SZ“ „Kritik am Bautzener Friedenspreis“ zeigt sich auch Oberbürgermeister Alexander Ahrens „irritiert“, also verständnislos, verwirrt, verwundert von „Wimmers Äußerungen“. Doch er war sich trotzdem sofort klar, dass solche Theorien „schon eher in Richtung Volksverhetzung“ gehen. Was für ein Vorwurf! Volksverhetzung ist ein schwerer Straftatbestand. Auch markige Worte sollte ein OB sorgsam wählen. Andererseits ist es fast schon amüsant, wenn gerade er dem Vorstand des Vereins „Bautzner Frieden“ eine gewisse Blauäugigkeit vorwirft. Jedenfalls werde kein offizieller Vertreter der Stadt an der Preisverleihung teilnehmen.
Weiß eigentlich der Oberbürgermeister, dass am Abend des 30. Januar bei der Festveranstaltung im Deutsch-Sorbischen Volkstheater auch ein verdienstvoller Bautzener Verein mit dem Friedenspreis geehrt wird? Sein Boykott richtet sich also ebenso gegen die Ehrung des Leuchtturm-Majak e.V.. Dieser wurde bereits 2006 gegründet, um zu allererst die Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion zu betreuen. Damals sprach noch keiner von Willkommenskultur. Umso wichtiger war jede Unterstützung für diese Zuwanderer deutscher Abstammung. Mit den Jahren sind die Aufgaben des Vereins vielfältiger geworden. Schwerpunkt bleibt die Integration von Migranten und Asylbewerbern.
Eine öffentliche Würdigung des Leuchtturm-Majak e.V. ist überfällig. Und was der Verein keinesfalls verdient hat, sind Unterstellungen, er lasse sich durch den Friedenspreis „instrumentalisieren“, er befände sich „in schlechter Gesellschaft“ und ähnlicher Unsinn. Dort war auch zu lesen, dass eine Birgit Kieschnick beim Deutsch-Sorbischen Volkstheater versucht habe „aufzuklären“. Ziemlich anmaßend. Doch wie man so hört und liest, verficht diese Frau diverse Verschwörungstheorien. Diese bündelt sie u.a. mit Hashtags wie „Querfront“. Da ist sie Schwester im Geiste mit Annalena Schmidt. Mit selbstgerechter Empörung verwahrte diese sich gegen eine Einladung zur Verleihung des Friedenspreises. „Ihr seid nicht gesellschaftlich anerkannt. Ihr seid #Querfront.“
Sehr tolerant ist das nicht. Dabei rät der Dalai Lama: „Gehe einmal im Jahr irgendwo hin, wo du noch nie warst.“ Aber da möchte wohl jemand seine ideologische Wagenburg nicht verlassen. Die Bautzener Friedenspreise werden trotzdem verliehen. Denn wie sagte doch der Kultur- und Geschichtsphilosoph Oswald Spengler: „Frieden ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.“ Und dieser Mann („Der Untergang des Abendlandes“) soll angeblich ein Pessimist gewesen sein!
Hans-Georg Prause