Kein Waterloo nach den ersten 100 Tagen

„Die 100-Tage-Frist bemisst die Zeitdauer, die nach einer Faustregel des Journalismus einem neuen (politischen) Amtsinhaber … zugestanden wird, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen. Danach kommt es zu einer ersten Bewertung...

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„Die 100-Tage-Frist bemisst die Zeitdauer, die nach einer Faustregel des Journalismus einem neuen (politischen) Amtsinhaber … zugestanden wird, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen. Danach kommt es zu einer ersten Bewertung der Regierungsleistung (100-Tage-Bilanz)“. So steht es bei Wikipedia. Auch wenn es für manche nicht opportun ist, dieses Internet-Lexikon für jedermann zu zitieren – für meine Zwecke mag es genügen. Es geht ja hier nicht – nur mal so als Beispiel – um einen Herrscher wie Napoleon Bonaparte, der seine historischen 100 Tage (es sollen übrigens mehr gewesen sein), immerhin für die Rückkehr von Elba, einen Feldzug und die Schlacht bei Waterloo nutzte.
Ähnliches zu erreichen, wäre zu viel verlangt von einem neuen Bautzener Oberbürgermeister. Zumal Alexander Ahrens nicht um Nachsicht gebeten hatte. Eine solche wünschte sich seinerzeit der während der Weltwirtschaftskrise zum US-Präsidenten gewählt Franklin D. Roosevelt von der Presse. Darauf geht das zur Tradition gewordene Stillhalteabkommen zwischen kritischen Medien und politischen Machern zurück. Roosevelt war danach als Reformer recht erfolgreich.
Doch genug der Geschichte(n), jetzt lasst uns Taten sehen. Alexander Ahrens stellte sich nach 100 Tagen im Amt den Fragen der Presse. Ja, er habe natürlich sehr viel zu tun, arbeite bis zu 60 Stunden die Woche (bei SZ-online.de aufgerundet zu „fast rund um die Uhr“). Er würdigt die Arbeit der Stadtverwaltung, wobei er immer noch dabei sei, alles kennenzulernen. Familie und Freizeit kommen jetzt leider etwas zu kurz. Doch die ersten Wahlversprechen habe er bereits einlösen können. Letzteres ist eine gewagte Selbsteinschätzung, die nicht von allen geteilt wird.
Wenn Ahrens dabei etwa die Abschaffung der Straßenbaubeiträge anführt, so weiß er natürlich selbst am besten, dass er persönlich zur Klärung dieses Problems nicht so viel beigetragen haben kann. Dafür ist er wirklich noch nicht lange genug da. (Wobei überhaupt fraglich ist, ob mit der jüngsten Beschlussfassung des Stadtrates das letzte Wort zu dem Thema gesprochen wurde. Es sei denn, man „verlegt“ einfach Zahlungsbescheide ins unterste Schreibtischschubfach.) Und zu sagen, dass der zusätzliche Einkaufssonntag in der Adventszeit eine Idee des Bautzener OB war, wäre ungerecht gegenüber der City-Managerin Gunhild Mimuß und dem Center-Manager Christian Polkow. Sie waren es, die mit dem Anliegen vor die Stadträte traten.
Eigentlich muss sich Alexander Ahrens gar nicht mit fremden Federn schmücken. Bestimmt ist es ihm eher peinlich, in der „SZ“ dafür gelobt zu werden, dass er doch schon Spatenstiche vollzogen und Wegweiser eingeweiht habe. Es bleibt so viel zu tun in Bautzen, nehmen wir nur die Baubrache am Lauengraben, den Bahnhof und neue Kitas. Nach nur 100 Tagen wird in der Kommunalpolitik keiner von einem Waterloo sprechen. Zumal Ahrens – um im historischen Bilde zu bleiben – ein Triumvirat zusammen hat. Der laut hauseigenem Amtsblatt „als Volljurist zum Behördenleiter ausgebildete“ neue OB weiß außer Finanzbürgermeister Robert Böhmer jetzt auch Baubürgermeisterin Juliane Naumann neben sich. Dass es in Frankreich damals nicht gut ausging, darüber decken wir den Mantel der Geschichte.
Also: Alles auf Anfang! Zählen wir nochmal 100 Tage ab. Die Schonfrist ist allerdings abgelaufen.

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