Mättigstiftung übergibt Kleinod an Bautzener Archivverbund

Ein gut erhaltenes Zeugnis Bautzener Geschichte aus dem Ende des 19. Jahrhunderts ist dem Archivverbund Stadtarchiv/Staatsfilialarchiv Bautzen durch die Mättigstiftung übergeben worden. Es handelt sich dabei um neun originale...

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Ein gut erhaltenes Zeugnis Bautzener Geschichte aus dem Ende des 19. Jahrhunderts ist dem Archivverbund Stadtarchiv/Staatsfilialarchiv Bautzen durch die Mättigstiftung übergeben worden. Es handelt sich dabei um neun originale Rechnungsbücher aus der Stiftung des Bautzener Riemermeisters Johann Georg Schlemmer (geb. 1799, gestorben am 3. August 1873), der ohne Nachkommen verstarb. Aus Akten des Stadtarchivs geht hervor, dass Schlemmer testamentarisch eine größere Geldsumme für verschiedene karitative Zwecke der Stadt Bautzen überlassen hat.

Wohltätige Stiftungsgelder am Weihnachtsabend – aber nicht für jeden

Nachdem Schlemmer der Stadt schon zu Lebzeiten 337 Mark zur Unterhaltung der Kinderarbeitsanstalt schenkte, vermachte er der Stadt in seinem Testament umfangreiche Stiftungen zu wohltätigen Zwecken. Das Schlemmersche Gestift wies im September 1867 ein Vermögen von 3.427 Mark auf. Die daraus erwachsenen Zinsen sollten jährlich an „die Klasse der niedrigtsen und allerärmsten Tagelöhner“, ohne Unterschied der Religion, der Sprache und der Herkunft ausgezahlt werden. Dazu zählten z.B. Feld und Ackerarbeiter, Holzmacher und Holzspalter, alte Waschfrauen, alte Straßen- und Wegearbeiter ohne Anstellung, alte Ziegeldeckergesellen, alte Schornsteinfegergesellen, alte Turm- und Nachtwächter, alte oder verunglückte Maurer- oder Zimmergesellen sowie alte oder verunglückte Steinbrecher. Teilweise konnten auch die Witwen der vorgenannten Arbeiter von der Stiftung profitieren.

Ausgeschlossen jedoch waren pensionierte Beamte, Schauspieler und Musikanten, uniformierte Dienstmänner, außerdem Personen, die durch eigenes Verschulden (Vergnügungssucht, Luxus, Geschäftsvernachlässigung, unnütze Zeitverschwendung) verarmt waren. Die Verteilung erfolgte jeweils am Weihnachtsabend.

Die Schlemmersche Stiftung umfasste 1915 ein Vermögen von 15.369 Mark. Aus ihr sollten arme und alte Personen bedacht werden, die von Unglücksfällen oder schweren Krankheiten betroffen waren. Auch hier erfolgte die Verteilung der Gelder am Weihnachtsabend. Außerdem sollten aus der Stiftung die Kinderbewahranstalt, die Kinderarbeitsanstalt, das Stadtkrankenhaus sowie die Besserungs- und Arbeitsversorgungsanstalt unterstützt werden. Wie bei fast allen Stiftungen floss ein kleiner Teil der Gelder auch in die Unterhaltung der Schlemmerschen Grabstelle, die sich auf dem Taucherfriedhof befand.

Bücher nun einsehbar im Archivverbund

Die Leiterin des Archivverbundes, Grit Richter-Laugwitz zeigte sich dankbar ob der Schenkung durch die Mättigstiftung: „Die Rechnungsbücher ergänzen den schon vorhandenen Bestand und geben uns einen Einblick in das Stadtgeschehen zum Ende des 19. Jahrhunderts. Sie zeigen auf, wie auch damals schon mildtätige Zwecke der Stadtgesellschaft zugutekamen.“ Oberbürgermeister Karsten Vogt, qua Amtes Mitglied des Stiftungsrates, nahm die Bücher, übergeben durch den Stiftungsrats-Vorsitzenden Dr. Uwe Koch, am 21. September 2024 im Ratssaal des Rathauses entgegen.

Bautzen im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert

In dieser Zeit ist Bautzen amtlich von Budissin in Bautzen (1868) umbenannt worden. Vier Jahre später wurde in der Stadt die erste deutsche Schulsternwarte eröffnet. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jh. bekam Bautzen mit der neuen Maria-und-Martha-Kirche am heutigen August-Bebel-Platz eine weitere Kirche und auch das „Wendische Haus“ wurde 1904 eingeweiht, ehe es 1945 dem Krieg zum Opfer fiel. Der Rietschelgiebel fand am alten Stadttheater 1902 seinen ursprünglichen Platz und zugleich begann der Bau des heutigen Justizgebäudes. Zwei Jahre später, 1904, ist die Sächsische Landesstrafanstalt, bekannt als Gelbes Elend, ihrer Bestimmung übergeben worden und fünf Jahre später die Kronprinzenbrücke, heutige Friedensbrücke, zur Nutzung freigegeben.

Bild (Stadtverwaltung Bautzen): v.l., Dr. Uwe Koch, Oberbürgermeister Karsten Vogt und Grit Richter-Laugwitz mit den Schlemmer-Büchern

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