Masken ab und Gesicht zeigen

Es wäre ein verspäteter Aprilscherz gewesen, würden nicht auch in Sachsen am Sonntag die Masken fallen können. Nach der Kabinettssitzung vom Dienstag ist es beschlossene Sache: Ab dem...

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Es wäre ein verspäteter Aprilscherz gewesen, würden nicht auch in Sachsen am Sonntag die Masken fallen können. Nach der Kabinettssitzung vom Dienstag ist es beschlossene Sache: Ab dem 3. April werden viele Corona-Auflagen ersatzlos gestrichen. Dafür muss man aber niemanden loben. Zu willkürlich wurden die Bürger über zwei Jahre hin drangsaliert. Selbst dann noch, als es gar keine Pandemie mehr gab. Außer Spesen, und das ganz gewaltigen, nichts gewesen. Zudem müssen die bislang tonangebenden Michael Kretschmer (CDU) und Petra Köpping (SPD) ganz gegen ihren Willen der aktuellen Entwicklung Tribut zollen.

Noch am 21. März schrieb das regionale Newsportal „Tag24“, dass Kretschmer nur zu gern die Lockerungen stoppen wolle: „Macht der Ministerpräsident ganz Sachsen zum Hotspot?“. Weil das nicht so einfach sei, solle eine Überlastung der Krankenhäuser wegen Personalmangels als Begründung herhalten. Da hat sich jemand daran gewöhnt, mit kaum zu überprüfenden Zahlen zu tricksen.

Nur zwei Tage darauf berichtete jedoch die „Sächsische Zeitung“, prominent platziert auf ihrer Titelseite, dass die CDU-Fraktion im Landtag das anders sehe, dass es „Widerstand gegen Kretschmers Corona-Pläne“ (23. März) gäbe. Auch die Grünen und die SPD als Koalitionspartner, sonst alles andere als zaghaft bei Corona-Restriktionen, kündigten dem Ministerpräsidenten die Gefolgschaft.

Eventuell wollte die „bunte“ Landesregierung aber nur den Anschluss an die öffentlichen Bürger-Proteste gegen die Corona-Maßnahmen nicht ganz verlieren. Offen bleibt die Frage, ob da nicht nur aus politischem Kalkül der sogenannten Stimme des Volkes nach dem Munde geredet wurde.

Letztlich kündigte Sozialministerin Köpping selbst vorab an, dass ab dem 3. April nur noch einige Corona-Auflagen erhalten bleiben, der „Basisschutz“. Das bedeutet u.a. Masken im öffentlichen Nahverkehr, in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Auch Tests, z.B. in Schulen, können verordnet werden. Es ist deshalb nur ein kleiner Schritt, dass man wieder ohne einen Mund-Nasen-Schutz einkaufen gehen kann. Der erhoffte große Schritt in die von einst gewohnte Normalität ist es nicht.

Zurück in die Zukunft? Von wegen! Allein schon die Hotspot-Regelung ist nichts anderes als der versteckte Dolch im Gewande der Politik, die selbst bestimmen kann, wann immer sie ihn ziehen will. Wer glaubt, darüber müssen künftig doch die Landtage entscheiden, der verschließt die Augen davor, wie sogar auf höchster parlamentarischer Ebene krampfhaft versucht wird, nach der in der Praxis gescheiterten beruflichen Teil-Impfpflicht in Pflege und Medizin auch noch die allgemeine Impfpflicht einzuführen, sei es in einem Stück, nur scheibchenweise oder auch hintenherum.

Bloß keine Zweifel aufkommen lassen, „weil Zweifel Unmut erzeugen“, wie Hermann Broch (1886 – 1951) einst schrieb. Selbst wenn das, was z.B. der Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagt, meist nur noch so dahin plätschert, so hat er doch mehr Gutgläubige hinter sich, als man glauben mag. Nicht zuletzt die Medien verkünden zu gern seine Prophezeiungen. Wie diese gruselige Warnung vor dem „späten Tod“:

„Bitte, alle Menschen ab 70, alle Immungeschwächten, diejenigen mit Herz-Kreislauf-Problemen, holen Sie sich schnell die nächste oder auch die erste Impfung, um einen späten Tod in den letzten Wochen vor dem Sommer abzuwenden.“ (u.a. bei „ntv“ am 23. März)

Aber warum denn in die Ferne schweifen … In einem Kommentar auf Seite 1 der „Sächsischen Zeitung“ am 23. März wurde von Andrea Schawe tatsächlich bedauert, dass Sachsen vorerst (!) kein Hotspot wird. Weil es die Regierung schwer habe, dafür Argumente zu finden, so die Autorin. Dabei gibt sie selbst zu, dass derzeit auch gar nicht mit einer Überlastung der Krankenhäuser zu rechnen ist. Was ja ein Argument gegen einen Hotspot ist. Nach dem man nicht erst suchen muss. Man sollte es einfach akzeptieren.

Nichtsdestotrotz konnte am 29. März auf der Titelseite der regionalen „SZ“ der Gesundheitsminister Karl Lauterbach in großen Lettern wieder vor Klinik-Überlastungen warnen. Dieser Bericht, den übrigens auch Andrea Schawe verfasste, war mal wieder Panik pur. Seine Forderung: Die Länder sollen die Hotspot-Regelungen nutzen. Nur ist Sachsen von einer bedrohlichen Infektionslage weit entfernt. Warum stand nicht das in der Schlagzeile?

„Und wo bleibt das Positive?“, das wurde schon der Schriftsteller Erich Kästner (1899-1974) gefragt. Seine Kindheit verlebte dieser in Dresden. Die „Sächsische Zeitung“ könnte sich den Satz als journalistisches Credo wählen.   

Nun hat nicht alles mit allem zu tun. Doch dass die Bundesregierung in Corona-Zeiten die Medien über alle Maßen mit Geldern für Werbung bedacht hat, wurde jetzt vom Branchendienst „kressnews“ untersucht. Im Beitrag „Überraschender Geldsegen für die Medien“ heißt es u.a.:

„Die Bundesregierung hat seit Beginn der Pandemie ihre Werbeausgaben drastisch gesteigert, um die Ausbreitung von Covid-19 zu bremsen und die Menschen zum Impfen zu animieren. Allein das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gab im vergangenen Jahr 144,6 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem Coronavirus aus …“ Einen beachtlichen Anteil von dieser Summe kassierten die Medien: „Demnach wurden im Jahr 2021 nicht weniger als 64,2 Millionen Euro für Printanzeigen, etwa in regionalen und überregionalen Tageszeitungen, ausgegeben.“

Um diese Zahlungen einzuordnen: „In den Jahren 2015 bis 2019 gab die gesamte Bundesregierung durchschnittlich nur rund 58 Millionen Euro pro Jahr für Werbung aus.“ Und dann kam es wie aus einem Füllhorn. Der Verdacht liegt doch nah, dass damit so ganz nebenbei politisches Wohlwollen erkauft wurde. Denn was zusätzlich etwas verwirrt, ist das Undurchsichtige bei dieser ganzen Sache: „An welche Unternehmen das Geld gegangen ist, kann das Ministerium nicht sagen.“

Viele Fragen warten nach zwei Jahren teils sehr widersprüchlicher Corona-Politik auf ihre Beantwortung. Mit den Masken fallen eventuell ja auch die Scheuklappen. Eine gute Gelegenheit, auch im übertragenen Sinne wieder Gesicht zu zeigen. Wenn es nur nicht heißt, um den Komiker Karl Valentin (1882-1948) zu zitieren: „Mögen hätt‘ ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“

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