„Über Geld redet man nicht – Geld hat man.“ Ein zynischer Spruch auf dem Niveau des Protzautoaufklebers „Eure Armut kotzt mich an!“ Doch über Geld wird jetzt oft und viel geredet. Manchmal sogar Klartext. So lautete die Schlagzeile eines Beitrages über die Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien, der bereits Mitte April in der dortigen „SZ“ erschien, schlicht und ergreifend: „Sparkasse bereitet sich auf Scheitern des Euros vor“.
Es ist etwas in Bewegung gekommen, was die Menschen beunruhigt. Die Abschaffung des 500-Euro-Scheines wird als Bedrohung wahrgenommen, obwohl Otto Normalverbraucher (oder, pardon, Ottilde Normalverbraucherin) eher selten so eine Banknote in der Hand hatte. Wenn die Europäische Zentralbank das aber so durchziehen kann, obwohl sich u.a. auch die doch wohl einflussreiche Deutsche Bundesbank kritisch zu diesen Plänen geäußert hat („Handelsblatt“ vom 22. Mai), dann macht sich Skepsis breit. Die EZB lässt zwar nicht nach, um Vertrauen für ihre Politik zu werben. Doch wo soll das herkommen? Die Folgen der Niedrigzinspolitik sind bereits jetzt ein akutes Problem für die Kreditinstitute, dessen Auswirkungen sie nur mit Abstrichen an ihre Kreditkunden und die Sparer weitergeben können. Der Euro als gemeinschaftliche Währung der Europäischen Union, die, seien wir ehrlich, alles andere als eine Gemeinschaft ist, leidet mehr denn je an den Folgen seiner schweren Geburt. So manche vom Munde abgesparte Altersversorgung steht nur noch auf schwachen Zinsfüßen. Die Rente mag ja immer noch sicher sein, doch unverblümt wird eingeräumt, dass sie zum Leben nicht mehr ausreichen wird. Die Abschaffung des Bargeldes ist auch nicht mehr als reine Verschwörungstheorie zu diskreditieren. Es sei denn, man gibt zu, dass die wirklichen Verschwörer in den Chefetagen des ganz großen Geldes sitzen.
Vieles in der Welt der Finanzen, der Banker und der Politiker, ist von außen gesehen nur schwer zu durchschauen. Obwohl so manches Statement aus Brüssel oder Berlin hohl klingt, wenn man es mal gründlich auf seinen Wahrheitsgehalt abklopft. Da ist es sehr hilfreich, das der Bürger vor Ort von „seiner“ Sparkasse, von „seiner“ Volksbank die prekäre Lage geschildert und deren missliche Folgen erklärt bekommt. Die er sowieso allzu bald am eigenen Gelde spüren wird: keine Zinsen auf Spareinlagen, weniger Filialen und Automaten, mehr elektronische Bankvorgänge.
Vielleicht sind bald auch nur noch begrenzte Abhebungen in bar möglich. Für die geschäftsmäßig unterkühlt kalkulierenden Finanzpolitiker ist das emotionale Verhältnis der Menschen zu Scheinen und Münzen sowieso nur ein Störfaktor. Vielleicht war und ist das Ende der 500er ja nur ein Test dafür, wie die Reaktionen ausfallen. Zweite Station des Probelaufes könnte die Begrenzung des Bargeldverkehrs sein. Schon jetzt wird mit Unterstützung vieler Medien den Leuten unterstellt, dass es doch altmodisch sei, an der Kasse noch das Portmonee zu zücken. Nur wer mit der Bank- oder Kreditkarte zahlt, der ist up to date. Was passiert, wenn die elektronische Verbindung unterbrochen oder das Plastegeld beschädigt ist, wird außen vor gelassen. Unterschlagen wird auch das Beispiel Griechenland, wo zur Zeit der großen Finanzkrise an den Geldautomaten von jetzt auf gleich den Bürgern der Zugriff auf ihr eigenes Geld reglementiert wurde. Da liest man gern, was Andreas Rieger, Sprecher der ostsächsischen Sparkasse Dresden, klar gestellt wissen möchte („SZ“, S. 1, 16. März): Die OSD lehnt eine Obergrenze für Bargeldzahlungen ab als „Einschränkung individueller Freiheit“.
Bei den Kreditinstituten muss man sich auf die finanzpolitische Großwetterlage einstellen. Die Volksbank Bautzen, deren ausgewählte Mitglieder sich am Abend des 25. Mai im Theater der Stadt zu ihrer alljährlichen Vertreterversammlung treffen, hat bereits vorab mitgeteilt, dass eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Dresdner Volksbank Raiffeisenbank nächstes Jahr zu einer „Verschmelzung beider Banken“ führen soll. Gemeinsam – als dann größte Genossenschaftsbank Sachsens mit über 130 000 Kunden – will man stärker sein und besser werden. Selbst in einer recht zurückhaltend formulierten Presseinfo wird allerdings unmissverständlich auch „die langanhaltende Niedrigzinspolitik der EZB“ als Belastung für das Tagesgeschäft genannt. Demografische Entwicklung und Digitalisierung des Geschäftsverkehrs sind weitere Fixpunkte. Da beide Kreditinstitute bislang aber in verschiedenen Regionen tätig waren, wird an Filialschließungen derzeit nicht gedacht.
Die Größe allein macht es allerdings nicht. So müssen sich die rund 600 000 Kunden der Ostsächsischen Sparkasse Dresden auf steigende Kontogebühren einstellen. Trotz erforderlichen Einsparungen will die OSD laut Vorstandschef Joachim Hoof aber alle Geschäftsstellen behalten. Bei der bereits eingangs erwähnten Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien, die noch gut im Geschäft ist, aber eben an die Zukunft denken muss, werden in den nächsten Jahren wohl sechs der 37 Filialen geschlossen. Und worauf bezog sich nun genau die Überschrift des SZ-Artikels (veröffentlicht am 18. April) über dieses Kreditinstitut? Hier das Zitat dazu: „Sollte die EZB auch in den nächsten Jahren den Patienten Europa mit einer Überdosis an Geld versorgen, so ist nach Meinung von Michael Bräuer, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse, der Kollaps des Euroraums nur eine Zeitfrage.“ Und darauf will man am Dreiländereck eben vorbereitet sein.
Stellt sich die Frage: Sind wir es auch? Man darf nicht alles als bare Münze nehmen, was von offizieller Seite zum Thema Bargeld verlautbart wird. Tun viele Menschen auch nicht. Laut einem Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes erfreuen sich Bankschließfächer wieder großer Nachfrage. Wenn jüngst auf einer Wirtschaftsseite der „SZ“ (4. April) als ein möglichen Grund dafür die Angst vor Einbrechern angegeben wird, dann erinnert das an die Argumentation in den ersten Wochen der Flüchtlingskrise, die Leute würden Pfefferspray kaufen, um sich vor Wölfen zu schützen. Korrekterweise sei angemerkt, dass in dieser abgedruckten dpa-Meldung dann auch noch die Diskussion um die Einführung einer Obergrenze für Bargeldzahlungen und die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank angeführt wird.
Auch noch aufschlussreich: Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Michael Kemmer, wird in diesem Kontext mit der Aussage zitiert, der BdB halte es für unwahrscheinlich, dass von deutschen Sparern „bald auf breiter Front Strafzinsen für ihre Einlagen verlangt werden“. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombet soll dagegen, hier sei nochmal dieser dpa-Text zitiert, in einem Interview gesagt haben: „Er hält auch Negativzinsen für Konten von Privatkunden für möglich.“
Alles ist möglich, heutzutage, hierzulande. Falsche Fünfziger haben Konjunktur.
Hans-Georg Prause