Auch in Bautzen gab es in der ersten Maihälfte in aller Öffentlichkeit sogenannte Corona-Proteste. Diese von den Medien gern gebrauchte Wortwahl ist eine Falschinformation. Es wurde nicht gegen eine Viruserkrankung protestiert, das wäre absurd. Die rund 200 zwischen Reichenturm und Rathaus spazierenden Teilnehmer erinnerten vielmehr an die wegen dieser Pandemie staatlicherseits vorgenommenen Beschränkungen ihrer gesetzlich garantierten Grundrechte. Überall Verschwörungen sahen also ganz sicher nicht jene Menschen, die da auf die Straße gingen. Trotzdem wird jetzt ermittelt (siehe „SZ“ vom 1. Juli). Gegen „mögliche“ Organisatoren und wegen eines Verdachtes, es sei an jenem 9. Mai gegen das Versammlungsgesetz verstoßen worden. Gibt es etwa gute Demos und schlechte Demos?
Einen Monat später demonstrierten Zehntausende in mehreren deutschen Großstädten gegen Rassismus und für die Menschenrechte. Von eingeleiteten Ermittlungen wegen Verstößen z.B. gegen das Verbot von Massenveranstaltungen während der Corona-Pandemie war bislang nichts zu hören. Eine Strafverfolgung lösten eventuell die sich in Berlin, in Hamburg und anderswo daran anschließenden gewalttätigen Ausschreitungen aus. Zumindest darf man das hoffen.
Diese antirassistischen Großdemos sind inzwischen sechs Wochen her. Also wenn das mit der Allgegenwart von gefährlichen Covid-19-Viren und deren heimtückischer Ansteckungsgefahr richtig ist, müsste es bundesweit längst von massiven Corona-Ausbrüchen nur so wimmeln. Denn dass da keine Abstände eingehalten wurden, nicht mal die bekannte Rekersche Armlänge (erinnern Sie sich: Silvester 2015 in Köln), war unschwer auf Videos und Fotos zu sehen. Und das Allheilmittel Mund-Nasen-Schutz war auch eher die Ausnahme. Nur die schwarzgewandeten Straßenschläger, die waren vorbildlich vermummt.
Seit rund drei Monaten verlangt die Regierung von den Bürgern, sich im Gesicht großflächig zu verhüllen – wenn sie einkaufen gehen, wenn sie Behörden aufsuchen, wenn sie Bus und Bahn fahren. Die Gründe dafür sind längst nicht mehr gegeben. Man schaue nur auf den fast überall stark schwächelnden Verlauf der Corona-Pandemie. Oder aber auf unsere Nachbarländer. Dort sind die Gesichtsmasken inzwischen wieder obsolet. Zudem schaffen es hin und wieder Artikel in die Zeitungen, die dem gebräuchlichen Mund-Nasen-Schutz ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Doch wer sich das halbe Gesicht nicht nur bedeckt, weil er es eben tun muss, sondern freiwillig auch noch Scheuklappen trägt, der wird das einfach nicht wahrhaben wollen.
Sehen wir uns nur mal im Alltag um, was da so alles als Mund-Nasen-Schutz oft nur unterhalb der Nase baumelt und wie nach dem Abnehmen mit diesem Stück Stoff umgegangen wird. Hygienisch ist das eher nicht, dafür ganz bestimmt widersinnig. So eine Behelfsmaske verringert vielleicht etwas die Gefahr einer Tropfeninfektion. Doch mal ehrlich: Wer geht unter Leute, wenn er schnieft und hustet? Da bleibt man zuhause, kuriert sich aus. Oder achtet selbst darauf, wenigstens Abstand zu anderen zu halten. Auch eine Maske zu tragen, steht ihm oder ihr frei. Für so ein normales Benehmen bedarf es keiner staatlichen Restriktionen. Das ist eine Frage der persönlichen Verantwortung.
Nur traut das die Regierung ihren Bürgern wohl nicht zu. Oder sollen sich diese einfach nur in Demut üben? Gedroht wird weniger mit Sanktionen, obwohl es diese auch gibt. Eher wird die ach so hehre Moral bemüht. Der im Mai dieses Jahres verstorbene Dramatiker Rolf Hochhuth schrieb in einem Text über den Informatiker Alan Turing (das ist der vom Enigma-Projekt) von „demokratischer Denunziation“. Jeder und jede solle sich denen anpassen, die bereit sind, sich anzupassen oder sich bereits angepasst haben. Warum sonst wohl wird diese Maskenpflicht so mutwillig ausgedehnt. Weil nicht der Eindruck entstehen dürfe, die Pandemie wäre vorbei? Solche offiziellen Aussagen zu hören, ohne sie zu hinterfragen, und ihnen folgsam zu gehorchen – da ist es nicht mehr weit hin bis zur sich selbst aufgebenden Hörigkeit.
Schauen wir nur mal auf Sachsen. Also das Bundesland, welches die Maskenpflicht zuerst eingeführt hatte („Corona-Maskerade: Von halbherzig bis herzlos“). Schon damals, in der zweiten April-Hälfte, war die Lage alles andere als dramatisch. Nun gut, hinterher ist man stets etwas schlauer. Aber einfach mal zugeben, dass man sich geirrt hat, das sollte trotzdem drin sein. Stattdessen wird auf Fehlentscheidungen beharrt. Ganz bewusst und wider besseres Wissen? Zumindest werden populistische Nebelkerzen gesetzt.
Bereits am 17. Juni erschien in der „Sächsischen Zeitung“ auf der Titelseite recht groß die hoffnungsvolle Schlagzeile „Sachsen prüft Lockerung bei Maskenpflicht“. Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) nannte – in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen – als ersten Termin den 30. Juni. Dieser ist aber folgenlos verstrichen. Obwohl sich bis dahin die Pandemie weiter abgeschwächte hatte. Es gibt sachsenweit fast keine Neuinfektionen mehr (am 3. Juli laut Landesuntersuchungsanstalt nur 0,4 pro 100 000 Einwohner). Wird es also nun der ebenfalls in diesem Artikel genannte 17. Juli? Nach der jüngsten Entwicklung wohl eher nicht. Das alles mutet jedenfalls recht willkürlich an.
Und das, was da in dieser Woche innerhalb eines (!) Tages zwischen den Meldungen „Länder überprüfen Maskenpflicht in Geschäften“ und „Maskenpflicht gilt weiterhin“ geboten wurde, war eine Politposse ohnegleichen. Deren Verfasser sitzen nicht nur in Berliner Bundesministerien. Souffliert wird ihnen auch aus der Staatskanzlei in München. Wer Moral predigt, aber vom politischen Hütchenspiel lebt, der ist jedoch so glaubwürdig wie ein Tierschützer im Pelzmantel (Zitat-Quelle: Karl Heinz Karius, WortHupferl-Verlag).
Es sah vor einiger Zeit so aus, als übten die Bundesländer ein ganz klein wenig den Aufstand gegen eine den eigenen Bürgern kaum mehr zu erklärende Gleichmacherei. Das hier sind beispielhafte aktuelle Zahlen (6. Juli): Nur 809 bestätigte Corona-Fälle in Mecklenburg-Vorpommern, aber 49 095 in Bayern! Doch wer sich nur etwas nach vorn wagt, so wie jetzt beim Wunsch, die Maskenpflicht endlich zu beenden und sei es wenigstens in ausgewählten Regionen, der wird sofort auf seine Platz am Katzentisch verwiesen.
Wie spottete einst Stalin: „In Deutschland kann es keine Revolution geben, weil man dazu den Rasen betreten muss.“ Ja und dabei nun vielleicht sogar den des Bundeskanzleramtes, daran ist natürlich gar nicht zu denken! So müsste man heute wohl das Bonmot ergänzen.
Hans-Georg Prause