Den Autofahrern wurde es in der vergangenen Woche heiß und kalt, wenn sie an die Zapfsäule mussten. 1,71 Euro für einen Liter Benzin, 1,54 Euro für einen Liter Diesel. Autofahren wird zum Luxusgut. Selbst die Grünen, die vor einigen Jahren noch gefordert hatten, dass ein Liter Sprit fünf Mark kosten solle, bekommen Angst vor der eigenen Courage. Denn auch sie wissen: Deutschland geht es derzeit nur aus einem einzigen Grund gut: Die Wirtschaft funktioniert. Dank vernünftiger Lohnabschlüsse in den vergangenen Jahren, dank umsichtiger Unternehmen, einer relativ niedrigen Arbeitslosenquote. Auch dank der positiven Elemente der Hartz IV-Reform. Allerdings ist es ein Tanz auf dünnem Eis. Wenn in der jetzigen Situation die Wirtschaft einen Husten bekommt, leidet Deutschland an einer Lungenentzündung. Denn der Staat ist de facto pleite. Es geht also darum, die dringend erforderliche Mobilität nicht abzuwürgen, um der Wirtschaft keinen schweren Schaden zuzufügen. Das Dilemma: Die Regierung lacht sich bei den megahohen Spritpreisen hinter verschlossenen Türen ins Fäustchen. 60 Prozent des Spritpreises landen im Staatssäckel. Je teurer die Tanke, umso mehr Luftschlösser können die Berliner bauen. Die Zusatzmilliarden, aus denen jetzt Billionen werden sollen: Wir sorgen schon dafür, dass die Kohle fließt. Jetzt, unmittelbar vor Ostern, zocken die Big Five des internationalen Ölkartells uns wieder ab, dass die Schwarte kracht. Der Tankstellenpächter oder Mineralölhändler vor Ort wird zu Watschenkasper, denn in der Zentrale von Shell oder Aral beschwert sich ja keiner von uns. Den Lösungsansatz der Großstadt-Politiker können wir uns auf dem Land getrost in die Haare schmieren. Wer im ländlichen Gebiet ungünstige oder sogar flexible Arbeitszeiten hat, ist auf das Auto dringend angewiesen. Hier fährt eben nicht alle fünf Minuten eine U- oder S-Bahn wie in den Metropolen, wo der Sprit meist auch noch deutlich günstiger ist. Was die Öl-Multis in den vergangenen Monaten angestellt haben, um uns bis aufs Knupperfleisch abzunagen, spottet jeder Beschreibung. Im Halbstundentakt wurden die Preise verändert, teils um 10 Cent und mehr. Kein Wunder, dass so mancher am 20. des Monats kaum noch weiß, wie er zur Arbeit kommen soll. Die Sprecher der Mineralölgesellschaften werden nicht einmal rot, wenn sie in die Kameras lügen und erklären, die Preissprünge hingen „mit der Beschaffungssituation“ zusammen. Reiner Unsinn – es geht nur darum, noch mehr Milliarden zu verdienen. Oder wie kann es sonst möglich sein, dass eine Firma wie BP, die den größten Umweltgau der Geschichte im Golf von Mexiko angerichtet hat, kurz darauf das beste Jahr der Firmengeschichte vermeldet? Die Initiative von Wirtschaftsminister Dieter Posch, nach der die Ölkonzerne die Preise des nächsten Tages verbindlich an eine behördliche Stelle melden müssen, ist ein vernünftiger Ansatz. Das „australische Modell“ kann einerseits vor vollkommer hemmungsloser Abzocke schützen, andererseits verführt es auch zu einer Preisabsprache der Konzerne im Vorfeld. Das bedeutet, dass das Kartellamt mit mehr Befugnis ausgestattet werden muss. Heute geht es um Energie, morgen könnte es bereits um Grundnahrungsmittel gehen. Die Abzocke an der Tankstelle zeigt, wie gefährlich Oligopole sind. Bei Energieunternehmen, aber auch in anderen Bereichen. Zum Beispiel bei der Presse. Übrigens: In den USA kostet der Liter Super 70 Cent, in Russland 67 Cent und in Saudi-Arabien 11 Cent.