In der Sitzung am 06.12.20221 landete als Nachtragstagesordnung folgender Vorschlag der Verwaltung auf dem Tisch der Kreisräte: Der Kreistag sollte entscheiden, ob er für fünf Straßenbaumaßnahmen in den nächsten Jahren 3,325 Mio. Euro mehr zur Verfügung stellt und gleichzeitig zehn weitere auf unbestimmte Zeit verschiebt, da ihre Finanzierung nicht mehr gesichert sei.
Auslöser war die Mitteilung des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit (SMWA) vom 09.11.2021, dass aus der bisher „unverbindlich“ zugesicherten 90%-Förderung über GRW-Infra – Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur – nichts mehr wird. Man habe die „Fördergebietskulisse“ ab 2022 von bisher 90% auf 50% geändert, weil das Geld ausgehe. Die Mitteilung war versehen mit einer „freundlichen“ 14-Tages-Frist (!) für die Entscheidung über beizubehaltende Projekte. Dem Landkreis und dem Kreistag wurde buchstäblich die Pistole auf die Brust gesetzt.
Damit sind nun 50% statt bisher 10% Eigenmittel für jedes einzelne Vorhaben notwendig und insgesamt können deutlich weniger Vorhaben als geplant umgesetzt werden. Um wenigstens fünf der fünfzehn geplanten und bereits im Doppelhaushalt eingestellten Straßenbau-Projekte bis 2024 umsetzen zu können, waren einerseits kurzfristig überplanmäßige Auszahlungen in Höhe von 3.325 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen und andererseits zehn Vorhaben auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
Der Vorschlag der Verwaltung war nachvollziehbar und verständlich. Für die ehrenamtlichen Kreisräte bedeutete es jedoch, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass das Ministerium den Landkreis vor vollendete Tatsachen stellt. Das ist unzumutbar und macht die Interessenvertretung der Bürger zur Farce!
Die Diskussion im Kreistag war durch entsprechendes Unverständnis gegenüber der Förderpolitik oder besser „Nicht-Förderpolitik“ des Freistaates geprägt und reichte von „Nehmen, was man kriegen kann“ bis „Wir können nicht alles mit uns machen lassen“.
Tatsache ist, lehnt ein Kreis das „Erpressungs-Angebot“ des Ministeriums ab, stehen andere Kommunen und Landkreise bereit, die das Geld sofort nehmen. Der Sächsische Landkreistag als Interessenvertreter der Landkreise empfiehlt, das Geld zu nehmen und nachher zu reden.
Quer durch alle Fraktionen ergab sich folgendes Abstimmungsergebnis: 32x Ja, 19x Nein, 28x Enthaltung.
Der Freistaat kennt die angespannte Haushaltssituation der Landkreise und Gemeinden, deren Abhängigkeit von der Förderung und die fehlenden Handlungsoptionen ohne diese Zuschüsse sehr wohl.
Bereits zum Jahresbeginn wurde die 90%-Förderung von Gemeindestraßen (KStB-Förderung) vollständig gestrichen. Hier wurde noch der Landtag einbezogen und trauriger weise fand die Streichung mehrheitlich die Zustimmung der Abgeordneten. Nun folgte der zweite „KO-Schuss“: die Reduzierung der GFW-Infra-Förderung von 90% auf 50% – diesmal einseitig und allein entschieden in den Amtsstuben des Ministeriums – ohne Beteiligung des Landtages.
Welche Vorhaben des Landkreises evtl. noch betroffen und welche Umschichtungen von Geldern noch erforderlich sein werden, ist den Kreisräten bisher noch nicht bekannt, das muss sich noch zeigen.
Fatal: Mit der Reduzierung bzw. dem Totalwegfall der Förderung werden nicht nur im Landkreis, sondern sachsenweit die Haushaltsplanungen der Gemeinden und Landkreise zerstört sowie die Existenzgrundlage regionaler Straßenbauunternehmen. Das wiederum wird zur Reduzierung der Gewerbe-Steuereinnahmen und der Kreisumlagen führen und ist ruinös – für die Gemeinden, den Landkreis und das ganze Land Sachsen.
Dr. Frank Hannawald