Über Demokratie und Defizite

„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie …“, so mahnt Mephisto in der Studierzimmer-Szene den Dr. Heinrich Faust. Beim erneut sehr gut besuchten Bürger-Forum im Saal des Bautzener Hotels...

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„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie …“, so mahnt Mephisto in der Studierzimmer-Szene den Dr. Heinrich Faust. Beim erneut sehr gut besuchten Bürger-Forum im Saal des Bautzener Hotels „Residence“ hätte man dieses Goethe-Zitat gern Prof. Werner J. Patzelt zugeflüstert. Der populäre, einst sogar als populistisch diskreditierte Politikwissenschaftler sprach dort u.a. über das – eher zufällig sogar tagesaktuelle – Thema „Meinungsfreiheit“. Denn im Bundestag  stand das umstrittene „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ von SPD-Minister Heiko Maas auf der Tagesordnung. Es ist zu befürchten, dass dessen erste Lesung nicht die letzte gewesen sein wird. Und das trotz aller fachlichen, rechtlichen und politischen Einwände von vielen Seiten. Die Forderung, den Entwurf nachzuarbeiten, soll der regierenden Koalition eventuell nur helfen, das Gesicht zu wahren. Dem Vortrag von Prof. Patzelt fehlte es leider an solchen konkreten Beispielen aus dem Alltag unserer Gesellschaft. (Deshalb werden noch einige weitere in diesem Text nachgereicht und zu den Quellen verlinkt.)

Kann man es einem Akademiker aber vorwerfen, ex cathedra zu lehren?  Nun, so lange er dabei keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit erhebt … Außerdem sollte diese Veranstaltung als Diskussion mit noch weiteren Gästen auf dem Podium und dem Publikum durchgeführt werden. Daraus wurde nichts. So stand der eingeladene Referent allein am Pult und hielt eine gut strukturierte Vorlesung über die Bürger- und Zivilgesellschaft, über unerlässliche Regeln des Zusammenlebens, über Spannungen bis hin zur Spaltung der Gesellschaft, über den Umgang mit der Meinungsfreiheit. Dabei ließ er nicht aus, wo es dabei hier und heute große Defizite gibt.

So hält sich zum Beispiel laut Prof. Patzelt eine Regierung nicht an demokratische Spielregeln, wenn sie notstandsartig an Gesetzen und Verträgen vorbei agiert, und er verweist dabei auf die Euro/EU-„Rettung“ oder die seiner Meinung nach „törichte Politik unkontrollierter Zuwanderung“. Für ihn gehören der große Migrationsdruck und die existierende Fremdenfeindlichkeit durchaus zusammen. Bedenklich sei zudem, wenn sich dagegen in den Parlamenten kaum Widerspruch erhebt, etwa weil die Parteien der Opposition ohnehin die Regierungspolitik unterstützen. Oder wenn, das sei hier eingeschoben, mit Geschäftsordnungstricks versucht wird, einen möglichen AfD-Alterspräsidenten schon vor der Bundestagswahl zu verhindern.

Was (oder wem) nutzt eine Rechtsstaatlichkeit, die nur dazu da ist, dem politischen Gegner Schranken zu setzen? Ist es denn legitim, dass man neuen Parteien ganz allgemein das Existenzrecht bestreitet? Der Dresdner Politikwissenschaftler wurde dabei sehr deutlich: „Hier erlebt die AfD derzeit weit mehr als die normale politische Gegnerschaft, sondern regelrechte Feindschaft samt physischer Gewalt gegen Sachen, mitunter auch gegen Personen. Solches Verhalten ist falsch und schlecht.“ Ergänzt sei diese Aussage Patzelts mit zwei Beispielen: Da wird schon mal ein Sex-Skandal inszeniert  und es werden Wählerstimmen manipuliert.

Wie ernüchternd ist es zudem, wenn man als Bautzener frühmorgens um Acht (am 20. Mai) im Radio bei den MDR-Nachrichten folgende Meldungen hören muss:

„Die Leipziger Staatsanwaltschaft bedauert, dass die linksextremen Krawalle vom Januar 2015 kaum strafrechtliche Folgen haben. Oberstaatsanwalt Schulz sagte MDR Aktuell, jedem Beschuldigten müsse man einzeln nachweisen, dass er sich aus der gewalttätigen Menschenmenge heraus an den Straftaten beteiligt habe. Es sei wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Auch die gesicherten Spuren oder die sichergestellten Mobiltelefone hätten keine ausreichenden Hinweise geliefert. Schulz bezeichnete das Ergebnis als nicht zufriedenstellend. Das gelte vor allem im Hinblick auf den Aufwand, den die Ermittlungsbehörden betrieben hätten. Vor zweieinhalb Jahren waren mehrere hundert Linksextremisten nach eine Nazi-Demo randalierend durch Leipzig gezogen. Nur zwei Täter müssen sich vor Gericht verantworten.“

Und nun denke man an die Krawalle zwischen jugendlichen Zugereisten und denen, „die schon länger hier leben“ (Zitat: Merkel), im vergangenen Herbst auf dem Kornmarkt.  Die Stadt Bautzen steht seit dem fast schon permanent wegen Extremismus-Verdacht am Pranger. Von einer Verhältnismäßigkeit in der medialen Wahrnehmung keine Spur.

Prof. Patzelt sprach an, dass der Bevölkerung „die Thematisierung der von ihr wirklich empfundenen Probleme seitens der politischen Klasse und der tonangebenden Medien verweigert wird, etwa mit dem Argument, bei all dem handele es sich nur um hysterische Einbildungen auf chauvinistischer oder rassistischer Basis.“ Von da ist es dann noch nur ein kleiner Schritt bis zur Verleumdung. Es darf daran erinnert werden, dass voriges Jahr vom Dresdner Kulturbüro die Bautzener Veranstalter der Kundgebungen von „Wir sind Deutschland“, jetzt übrigens Mitorganisatoren bei „Bürger für Bürger“, in die Schublade der Rechtsextremisten gesteckt wurden.  Und bei einer Diskussion um Integrations-Projekte und deren Finanzierung im Landkreis Bautzen stellte der SPD-Kreisrat Roland Fleischer erst unlängst den Vize-Landrat Udo Witschas (CDU) einfach mal in die rechte Ecke, „nah dran an der Fremdenfeindlichkeit“. So einfach ist das, so unwidersprochen bleibt es. Politischer Streit gehöre zwar zur Demokratie, so Prof. Patzelt, aber das auf der Grundlage angstfreier Meinungsäußerungen. Sonst drohe „ein Klima öffentlicher Heuchelei“.

Dabei geht es auch anders. „Eine Studie zu Rechtsextremismus im Osten löst heftige Kritik aus: Die Erkenntnisse beruhen auf Befragungen von Bürgern in gerade mal drei fremdenfeindlichen Hochburgen. Und die Antifa dient den Forschern als Quelle.“ So stand es in der „WELT“.  (Anm. der Redaktion: 20 Menschen wurden in Heidenau und Freital als Interviewpartner befragt) Während sich viele Zeitungen die vorliegenden Ergebnisse einer Auftragsarbeit von Iris Gleike (SPD), Ostbeauftragte der Bundesregierung, kritiklos zu eigen und daraus knallige Schlagzeilen machten, schauten einige Redaktionen endlich mal genauer hin. Die Leser sowieso, was in den Online-Kommentaren (wo diese Funktion noch freigeschaltet ist) nachgelesen werden konnte. So wie eine Schwalbe keinen Sommer macht, ist das zu wenig, um nun gleich an eine vorurteilslose Presse zu glauben. Die wird vor allem von linken Journalisten gemacht, was laut Prof. Patzelt empirische Untersuchungen belegen. Da bleibt wenig Platz für konservative Sichtweisen. Zum allerersten Mal hat trotzdem auch die lokale „Sächsische Zeitung“ über eine Veranstaltung „Von Bürgern für Bürger“ in Bautzen berichtet.

PS: Nach einem aktuellen Bericht der „Welt“ stellt sich einmal mehr die Frage, ob denn im „Kampf gegen Rechts“ alles erlaubt ist. Wie die Zeitung schreibt, wurden für die in der Kolumne erwähnte Extremismus-Studie sogar Gesprächspartner erfunden. Also mit voller Absicht produzierte Fake News? Ob es dazu seitens der Regierung eine das erklärende Stellungnahme gibt, bleibt abzuwarten.

Hans-Georg Prause

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