Unspektakulär sachlich

Diese Klarstellung des Bautzener Jugendrichters Manfred Weisel sollte ein für allemal wenigsten einen Aspekt des Brandes des „Husarenhofes“ in der Nacht des 21. Februar dieses Jahres klären: Es...

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Diese Klarstellung des Bautzener Jugendrichters Manfred Weisel sollte ein für allemal wenigsten einen Aspekt des Brandes des „Husarenhofes“ in der Nacht des 21. Februar dieses Jahres klären: Es gab damals keine Behinderung der Löscharbeiten, auch nicht durch jene Jugendlichen, die er nun zu längeren Haftstrafen (zweieinhalb und drei Jahre ohne Bewährung) verurteilte. Denn diese standen wegen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht, vor allem aber wegen weiterer Delikte wie Körperverletzung, Diebstahl, Erpressung … Da war wohl das Maß voll.

Die Staatsanwaltschaft widerstand allerdings der Versuchung, spitzen wir es hier mal etwas zu, aus jenen drei angetrunkenen jungen Männern (gegen zwei wurde verhandelt) auch noch eine terroristische Vereinigung zu machen. Selbst so gängige Vorwürfe wie Extremismus oder Rassismus fehlten in der Anklage. Obwohl doch der Tatort ein als Flüchtlingsheim vorgesehenes Hotels war. Und weil in jedem Bautzener ein potentieller Ausländerfeind steckt. Könnte man jedenfalls glauben, wenn man der hierzulande die Meinung machenden Presse glaubt.   

Vielleicht lag es aber genau an dieser unspektakulären Sachlichkeit, dass die Verhandlung und der Urteilsspruch (noch nicht rechtskräftig) – trotz eines Übertragungswagen vor dem Amtsgericht am Friedrich-Engels-Platz und der Anwesenheit mehrerer Journalisten – nicht das erwartete große Medienecho auslösten. Da war im Vorfeld mehr Lametta.

Was allerdings einige Zeitungen nicht daran hinderte, in hinlänglich bekannter Verstümmelung der Tatsachen (oder passt hier das Modewort „postfaktisch“?) zu melden: „Haftstrafe für Behinderung von Löscharbeiten“ (Rheinische Post, Kölner Stadtanzeiger). Auch die Hannoversche Allgemeine schrieb, dass die Angeklagten „die Löscharbeiten behinderten“. Laut Deutschlandfunk wurden „die Löscharbeiten gestört“. Spiegel online setzte bei der Berichterstattung anfangs auch solche Akzente, bis man in dem aktualisierten Beitrag mit herauslesbarem Unbehagen jedoch einräumte, die Angeklagten hätten die Löscharbeiten „nicht direkt“ behindert.

Dass es damals keine Behinderung der Löscharbeiten gab, die der Rede wert waren, war übrigens dem bereits kurz nach der Brandnacht veröffentlichten Einsatztagebuch der Feuerwehr zu entnehmen. Für jeden nachzulesen auf der Homepage der Stadt Bautzen. Nur haben das viele Journalisten einfach nicht wahr haben wollen. Es passte wohl nicht in die Story. Und als dann bei einer öffentlichen Veranstaltung der Bautzener CDU Anfang Juni im „Brauhaus“ mit etwas Abstand vom Geschehen mehrere Augenzeugen zu Wort kamen und die lokale „SZ“ davon berichtete, wurde Oberbrandmeister Jens Grubert mit der Aussage zitiert: „Als ich später im Radio von massiven Behinderungen hörte, war ich schon sehr überrascht.“ Er war der Einsatzleiter der Feuerwehr.

Schon in jener Gesprächsrunde wurde auch über das Verhalten jener jungen Männer diskutiert, die nun zu einem längeren Freiheitsentzug in der Jugendhaft verurteilt wurden. Als der „Husarenhof“ brannte, beachteten sie in ihrem Suff die Absperrungen nicht. Sie wollten nur eine Abkürzung nehmen, wie sie jetzt argumentierten. Stattdessen wurden sie von den Beamten kurzerhand weggesperrt, als sie sich den Anweisungen der Polizei widersetzten. Vielleicht ist ihnen inzwischen klar, dass sie an der Brandstätte nicht nur im übertragenen Sinne mit dem Feuer gespielt haben. Wer den engen Gang mit der Treppe vom Käthe-Kollwitz-Platz zum Parkplatz des Einkaufszentrums kennt, der frage sich mal selbst, ob er dort entlang gehen würde, wenn es daneben lichterloh brennt! Da muss man wohl 1,3 bzw. 1,4 Promille intus haben. Die Trunkenbolde sollten eigentlich der Polizei dankbar sein. Denn das hätte wirklich schlimm ausgehen können. Für sie.   

Es war allerdings eine Verlautbarung der Polizei, in der von jenen unseligen „massiven Behinderungen der Löscharbeiten“ der Brandnacht die Rede war, was von den Medien ohne große Rückfragen begierig aufgegriffen und ausgeschlachtet wurde. Seinerzeit eine eher unglückliche Formulierung, geschuldet vielleicht der ersten Erregung am Einsatzort. Dass Conny Stiehl, der Präsident der Görlitzer Polizeidirektion, allerdings noch Monate später bei der CDU-Veranstaltung von „Gewalt gegen Polizeibeamte“ sprach, verwunderte schon etwas. Denn da fallen einem eher Leipzig-Connewitz, die Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain oder das Hamburger Schanzenviertel ein. Doch es wird eben allzu oft mit zweierlei Maß gemessen, wobei der dicke Daumen der Vorverurteilung stets die Waage zu Ungunsten von Bautzen herunter drückt.

Aber was ist hier als Fazit zu ziehen? Gut, eine Behinderung der Löscharbeiten hat es also nicht gegeben, eine massive gleich gar nicht. Die grölende Menge, die damals ebenfalls für balkengroße Schlagzeilen sorgte, gab es so wohl ebenfalls nicht. Von „drei bis vier Angetrunkenen, die sich dämlich geäußert haben“ sprach der bereits erwähnte Feuerwehr-Einsatzleiter Grubert. Dass es zehn bis zwölf Leute waren, schätzte der Pressefotograf Jens Kaczmarek, der sich zudem erinnerte, „dass der Vorfall in etwa nur eine Minute dauerte“. Das war Ende Juni der Stand der öffentlich geführten Diskussion. Wer ein dreiviertel Jahr später Neues dazu beitragen will, muss sich fragen lassen, warum er nicht schon damals darüber gesprochen hat.

Jedoch, wer hat denn nun den „Husarenhof“ abgefackelt? Ohne behaupten zu wollen, auf dem aktuellsten Stand zu sein, sei hier die folgende Vermutung geäußert: Die Ermittlungen dauern an. Mitte August gab es laut offizieller Mitteilung zwei Verdächtige, 27 und 33 Jahre alt, Hausdurchsuchungen und die Beschlagnahmung von Handys. Zu Festnahmen reichte das alles nicht. In einer kurzen Zeitungsmeldung hieß es seinerzeit: „Bezüge zur rechtsextremen Szene konnten laut Generalstaatsanwaltschaft bisher nicht gefunden werden“. Bisher nicht? Also sucht man wohl immer noch danach. Dabei wurde kurz nach der Brandstiftung betont, dass „in alle Richtungen“ ermittelt werde.

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