Vom Virus und der Wahrsagerei

So viel Ehrlichkeit ist es wert, hier gewürdigt zu werden. Allerdings sprach Prof. Christian Drosten zum Abschluss eines Interviews mit den ARD-„Tagesthemen“ am 9. Dezember nur das aus,...

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So viel Ehrlichkeit ist es wert, hier gewürdigt zu werden. Allerdings sprach Prof. Christian Drosten zum Abschluss eines Interviews mit den ARD-„Tagesthemen“ am 9. Dezember nur das aus, was gefühlt seit Jahr und Tag die sogenannte Corona-Krise kennzeichnet: „Das ist Wahrsagerei, was wir jetzt hier so langsam betreiben.“

Runde neun Minuten lang sprach er mit dem etwas skeptisch blickenden Moderator Ingo Zamperoni über den aktuellen Stand der Pandemie und über das, was noch auf uns zukommen könnte. Die Vielzahl von Zahlen und Fakten war dabei eher verwirrend. „Quäle Daten, und sie werden alles zugeben.“ Der Brite Ronald Coase (1910-2013) wusste als Wirtschaftswissenschaftler, wovon er sprach.

Der ewige Talkrunden-Gast und neue SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist auch studierter Gesundheits-Ökonom, selbst wenn er sich in der Rolle des Pandemie-Experten besser gefällt. Laut einem älteren „Spiegel“-Beitrag (14/2004) war er beizeiten „nah dran an der Macht“. Kaum zu glauben: Er galt seinerzeit als „größter Kritiker des medizinisch-industriellen Komplexes“. Was ihn nicht hinderte, mit seinem Institut gut finanzierte Medikamentenstudien für die Pharmaindustrie durchzuführen.

Das mit der Macht hat Lauterbach viele Jahre später also geschafft. Statt nur „nah dran“ ist er nun dabei. Vielleicht möchte er jetzt – da das Gesundheitswesen einem permanenten Stresstest unterzogen wird – gern vergessen machen. Noch 2019 plädierte er, der Effizienz wegen viele Krankenhäuser zu schließen. Selbst wenn er eine Bertelsmann-Studie für überzogen hielt. Er dachte wohl an das Sprichwort: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“

Das Totsparen des Gesundheitswesens, was Menschen und Material anbelangt, ließ ihn aber nicht los. Sonst hätte er als das Corona-Orakel seiner Partei doch dafür plädiert, die Anzahl der Intensivpflegebetten in der Pandemie eher aufzustocken, als zu Tausenden abzubauen. Und wusste er nicht, dass den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen das Personal in Scharen weglief? Nun, was er wirklich wusste oder was er nur nicht wahrhaben wollte, wissen wir nicht. Wenn die Worte fehlen, dann sprechen aber die Taten.

Karl Lauterbach stand bereits auf der Türschwelle des Ministerbüros und die „Ampel“ leuchtete schon, da wurde bekannt, dass ein von der Politik vollmundig versprochener finanzieller Bonus für die Intensivpflege „viel niedriger ausfallen“ („ntv“, 03.12.) würde, als vorgesehen war. Zudem solle dabei die Impfpflicht für das Personal einbezogen werden. Das war infam, aber nicht alles.

Nach Aussage der gesundheitspolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, kommt der Bonus erst im nächsten Jahr. Warum Geld ausgeben? Die Impfpflicht für diese Berufsgruppe gab es im Bundestag doch kostenlos. Also nun noch an das Berufsethos appellieren! Dazu sei aber der Arzt und Nobelpreisträger Rudolf Virchow (1821-1902) zitiert: „Immer wenn einer von Ethik spricht, weiß ich, dass er nicht zahlen will.“

Auch die sich stets freiheitlich gebende FDP stimmte dieser Impfpflicht zu. Vor den Wahlen hörte und las man es anders. Also ein Betrug am Wähler? Wohl eher ein Selbstbetrug all jener, die diese Partei gewählt haben. Denn FDP und „umfallen“ sind doch fast schon Synonyme in der Politik.

Betrogen fühlen dürften sich eher jene Menschen, die sich aus Sorge um ihre Gesundheit voller Vertrauen impfen ließen: einmal, zweimal, inzwischen vielleicht schon dreimal. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Dafür wird – einst war’s die Bratwurst – jetzt mit Testfreiheit für das Boostern gelockt. Was auch heißt: Selbst „nur“ doppelt Geimpfte werden demnächst wieder zum Testen müssen.

Was wurde ihnen nicht alles versprochen! „Immunität gegen Corona hält wahrscheinlich Jahrzehnte!“, titelte dick und fett die „BILD“. Das war erst Anfang August dieses Jahres! Inzwischen, also nur vier Monate darauf, hieß es in dem Blatt mit den großen Buchstaben (10.12.), dass der Biontech-Chef zu „Blitz-Boostern“ nach drei Monaten rät. Ist das noch seriöse Wissenschaft?

Zumindest ist es, was die Wirksamkeit der Impfstoffe anbelangt, wenig Vertrauen erweckend. Aus dem Impfen als „game changer“ wurde ein Wechselspiel der Wirksamkeiten, der Anwendungen, der Einschränkungen. Erst gelobt und dann geimpft wird, was gerade ausreichend am Lager ist. Das kann man pragmatisch nennen. Oder diese Leute haben einfach keinen Plan.

Wenig hilfreich für die ausufernde und längst übergriffig gewordene Impf-Kampagne sind z.B. die Nebenwirkungen, also etwa die Blutgerinnsel-Studie oder jene über Herzmuskelentzündungen bei jüngeren Männern. Das Risiko ist höher als bisher angenommen, darüber informierte jüngst die „Frankfurter Rundschau“.

Bei den trotz erfolgter Doppelimpfung erneut Infizierten werden selbst schwere Erkrankungen nicht mehr geleugnet, es wird nur noch beschwichtigt. Mehr Ungeimpfte auf den Stationen als Geimpfte – ein schwacher Trost für die davon Betroffenen. Zumal der Zahlenspiegel trübe Flecken aufweist. Dem Heilsversprechen, die Impfung werde die Erlösung bringen, gehen so die Gläubigen verloren.

Und die sogenannten Impfgegner? Die meisten von ihnen sind nicht gegen das Impfen, sondern gegen dieses Impfen. Trotzdem werden sie mit teils drakonischen Maßnahmen ins gesellschaftliche Abseits gestellt und wie zum Hohn noch selbst dafür verantwortlich gemacht. Deshalb gehen sie zu Tausenden und vielerorts auf die Straße.

Darauf reagiert in Sachsen die Regierung besonders angefressen. Wegen dieser Proteste, obwohl es doch „nur eine Minderheit“ ist, wird nach der Polizei gerufen. Teilnehmer werden eingekesselt, mit Tränengas und Schlagstöcken traktiert. Oder es werden sogar Wasserwerfer aufgefahren. Womit sich CDU-Ministerpräsident Kretschmer kürzlich arg blamierte. Denn wer nicht zum Showdown an den Sächsischen Landtag kam, waren die Demonstranten.

Doch wie der Herr, so das Gescherr. Das von Petra Köpping (SPD) geführte Gesundheitsministerium musste am Montag mit der heißen Nadel die aktuelle Corona-Verordnung nachbessern. Die Androhung von Bußgeld für illegale Proteste war vergessen worden. Was nicht unbemerkt blieb und für viel Spott sorgte.

Wie aber weiter? Schon Horace Walpole (1717-1797), britischer Schriftsteller und auch Politiker, warnte: „Es ist jene Art von Krieg, bei der uns selbst ein Sieg zugrunde richtet.“

Hans-Georg Prause

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