Zwei Jahre Ukraine-Krieg: So ist die Situation im Landkreis Bautzen

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 erreichten Anfang März 2022 die ersten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auch den Landkreis Bautzen. In der Schützenplatzhalle...

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Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 erreichten Anfang März 2022 die ersten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auch den Landkreis Bautzen. In der Schützenplatzhalle in Bautzen wurde gemeinsam mit dem THW Ortsverband Bautzen eine Notunterkunft für ukrainische Kriegsflüchtlinge eingerichtet – der Beginn für die Ukraine-Hilfe im Landkreis Bautzen. Aktuell jährt sich der Beginn des Krieges zum zweiten Mal. Zahlreiche Ukrainerinnen und Ukrainer haben inzwischen im Landkreis Bautzen Zuflucht und teilweise auch eine neue Heimat gefunden. „Die Hilfe, die wir gemeinsam mit vielen Initiativen und privatem Engagement seit Kriegsbeginn im Landkreis Bautzen geleistet haben, ist enorm. Die Menschen, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind, haben hier nicht nur Unterstützung erfahren, sondern auch Freunde und oft auch eine neue Heimat gefunden. Ich hoffe, dass die Situation in der Ukraine einmal eine Rückkehr ermöglichen wird. In der Zwischenzeit wollen wir diese Menschen bestmöglich in unsere Gesellschaft integrieren. Dazu zähle ich auch die Integration in Arbeit, bei der wir im europäischen Vergleich noch Luft nach oben haben“, so Landrat Udo Witschas.

Wie viele Ukrainer sind bislang im Landkreis Bautzen angekommen?

Deutschland hat inzwischen rund 1,1 Millionen Ukrainer aufgenommen. In Sachsen sind es bis zu 80.000 Personen. Seit Kriegsbeginn sind auch 5.054 Ukrainerinnen und Ukrainer im Landkreis Bautzen angekommen. Allein im März und April 2022 wurden rund 3.000 Personen im Landkreis Bautzen aufgenommen. Ende Juni waren es bereits rund 3.500 Personen. Ein Großteil von ihnen wurde durch private bzw. ehrenamtliche Initiativen in den Landkreis geholt. Zu den aufnahmestärksten Monaten zählten zudem März (Kämpfe um Bachmut und Mariupol) und November (Angriffe auf Cherson, Drohnenangriffe auf Kiew) 2023. Seit März 2022 wurden dem Landkreis Bautzen durch die Landesdirektion rund 1.100 ukrainische Flüchtlinge zugewiesen, insbesondere im April 2022 (149) sowie März (95) und September (87) 2023. Rund 1.600 der aufgenommenen Ukrainer zogen seither weiter oder kehrten in die Ukraine zurück. Die meisten Fortzüge wurden im Juli und Oktober 2022 registriert.


Wie viele Ukrainer leben derzeit im Landkreis Bautzen und wo wohnen sie?

Aktuell leben 3.390 Ukrainer im Landkreis Bautzen, 2041 weibliche und 1.349 männliche Personen. Unter ihnen sind 1.224 Kinder und Jugendliche und 292 Personen über 65 Jahren. Mit rund 1.900 Ukrainern verzeichnet der Sozialraum Bautzen die höchste Aufnahme, gefolgt vom Sozialraum Kamenz mit rund 800 und dem Sozialraum Hoyerswerda mit etwa 700 Ukrainern. Im Raum Bautzen befindet sich auch eine Aufnahmeeinrichtung des Landkreises. Hier erhalten zugewiesene Ukrainer zunächst eine Unterkunft, bevor sie in Wohnungen ziehen. Die von der Landesdirektion Sachsen aufgrund des sächsischen Verteilschlüssels errechnete Aufnahmequote für den Landkreis Bautzen beträgt knapp 4.400 Ukrainer.

Der Aufenthaltsstatus als Kriegsflüchtlinge wurde bereits 2022 durch Beschluss der EU-Mitgliedsstaaten pauschal geklärt und im Oktober 2023 bis 4. März 2025 verlängert. Das bedeutet, dass Ukrainer kein Asylverfahren durchlaufen müssen, keine Asylbewerberleistungen erhalten und bei Bedürftigkeit direkt Bürgergeld durch das Jobcenter oder aufgrund von Alter oder Behinderungen Leistungen des Sozialamtes erhalten.

Wie viele Ukrainer besuchen eine Schule?

Von den 1.224 Ukrainern unter 18 Jahren besuchen aktuell 719 eine Schule. 336 werden an einer Grundschule unterrichtet, 220 an einer Oberschule und 77 an Gymnasien. 15 ukrainische Kinder besuchen eine Förderschule. An den Berufsschulen lernen 71 Ukrainer. Die meisten ukrainischen Grundschüler lernen an der Frédéric-Joliot-Curie-Grundschule Bautzen (48), gefolgt von der Grundschule Bischofswerda-Süd (42) und der Lindenschule Hoyerswerda (32). Im Bereich der Oberschulen gehören die Dr.-Salvador-Allende-Oberschule Bautzen (33), die Gesundbrunnen-Oberschule (27) und die Oberschule Malschwitz (20) zu den Schulen mit den meisten ukrainischen Schülern. Unter den Gymnasien hat das Immanuel-Kant-Gymnasium Wilthen mit 31 Schülern die meisten Ukrainer aufgenommen.

Wie viele ukrainische Kinder im Landkreis Bautzen werden in einer Kita betreut?

Ende 2023 wurden in den Kindertageseinrichtungen im Landkreis Bautzen 293 Kinder aus der Ukraine betreut. Bei 238 von ihnen werden die Kosten aufgrund von geringem Einkommen durch den Landkreis übernommen.

Wie viele Ukrainer beziehen Bürgergeld und andere soziale Leistungen?

Durch den per Bundesverordnung bzw. EU-Verordnung geklärten Aufenthaltsstatus werden bedürftige Ukrainer seit Juni 2022 durch das Jobcenter Bautzen betreut. Mit Stand Oktober 2023 erhielten 2.347 Ukrainer in 1.083 Bedarfsgemeinschaften Bürgergeld. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften lag im Juni 2022 – damals übernahm das Jobcenter die Leistungen – bei 809. Seither unterliegt diese Zahl gewissen Schwankungen. Den größten Anstieg gab es im Juli (156) und August (87) 2022, den größten Rückgang im Oktober (-26) und November (-24) 2022.

Anstelle des Bürgergeldbezugs gibt es in bestimmten Fällen auch Leistungen vom Sozialamt. Dies betrifft insgesamt 749 Personen. Darin enthalten sind 615 Personen mit Leistungen im Bereich der Sozialhilfe, 21 Personen Wohngeld/ Bafög/ Elterngeld, 5 Personen mit Betreuungsleistungen, 91 Personen aus dem Schwerbehindertenrecht und 17 Personen mit Eingliederungshilfe.

Wie gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt?

Bis Oktober 2023 hatten sich in Summe rund 790 Ukrainer beim Jobcenter abgemeldet, da sie fortzogen oder eine Arbeit gefunden hatten. 1.737 der beim Jobcenter gemeldeten Ukrainer gelten als erwerbsfähig. Zu den Gründen für die Nichterwerbsfähigkeit zählen beispielsweise die Teilnahme an Maßnahmen wie Sprachkursen, die Erziehung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen sowie gesundheitliche Einschränkungen.

Um die notwendigen Sprachkenntnisse für eine Arbeitsaufnahme zu erhalten, absolvieren viele Ukrainer Sprachkurse. Bisher wurden 625 Sprachkurse erfolgreich beendet. Im Januar 2024 wurden zudem weitere 375 Teilnehmer an Integrationskursen und berufsbezogener Deutschsprachförderung registriert. Weiterhin ist der Beginn eines Sprachkurses in unserer ländlichen Region mit erheblichen Wartezeiten verbunden. Das Jobcenter hat mit Stand Juli 2023 294 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in Arbeit gebracht, davon 135 in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen, 142 in geringfügige Arbeitsverhältnisse und 17 in Selbstständigkeit.

Dazu kommentiert der AfD-Landtagsabgeordnete Frank Peschel: „Überall wird von Fachkräftemangel gesprochen und gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit. Besonders hoch ist diese unter Ukrainern, die seit 2022 einen Sonderstatus in Deutschland genießen. Es ist nicht akzeptabel, wenn nicht einmal 20 Prozent der Ukrainer in Ostsachsen arbeiten gehen bzw. über 80 Prozent auf Kosten des deutschen Sozialsystems leben.“

Anerkennung ukrainischer Ausbildungen: Hier spielen Anerkennungsverfahren und Zeugnisbewertungen besonders bei hochqualifizierten ukrainischen Flüchtlingen eine Rolle. Ohne entsprechende Übersetzung, Bewertung oder Anerkennung ist das Ausüben des jeweiligen Berufes entweder nicht gestattet oder zumindest sehr erschwert. Im Bereich der reglementierten Berufe, zum Beispiel Arzt oder Apotheker können die Anerkennungsverfahren inklusive des Lernens der dafür notwendigen Deutschkenntnisse mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Zeugnisanerkennung im Bereich der nicht reglementierten Berufe gehen in der Regel schneller. Mehrere Monate dauern aber auch diese Verfahren.

Erschwerend kommt derzeit hinzu, das für die Anerkennungs- und Bewertungsverfahren Übersetzungen der notwendigen Unterlagen (Berufsabschlüsse, Arbeitsbücher und anderes) durch offiziell anerkannte, vereidigte Übersetzer eingereicht werden müssen. Abgesehen von den zum Teil hohen Kosten ist die Suche nach Übersetzern mit freien Kapazitäten aktuell schwierig. Seit Juni 2022 wurden ca. 62 Anträge für Übersetzung- und Anerkennungskosten ausgegeben.

Welche Probleme gibt es beim Zugang zum Arbeitsmarkt für Ukrainer noch?

Größtes Vermittlungshemmnis ist das Fehlen von Sprachkenntnissen. In der Regel kommen die ukrainischen Flüchtlinge ohne deutsche Sprachkenntnisse. Zweites Hemmnis ist die beschriebene fehlende Qualifikation im Sinne von anerkannten Berufsabschlüssen/ Ausbildungen. Ukrainische Berufs- und Studienabschlüsse sind generell in Deutschland nicht anerkannt. Häufig kommt hinzu, dass sich die Ausbildungen nicht vergleichen lassen bzw. die ukrainischen Flüchtlinge nicht in ihrem erlernten Beruf gearbeitet und damit keine verwertbaren beruflichen Erfahrungen haben.

Weitere Hemmnisse sind fehlende Mobilität – besonders ukrainische Frauen haben häufig keinen Führerschein -, gesundheitliche Einschränkungen und fehlende Kinderbetreuung. Auch die Bleibeperspektive bzw. die entsprechende Bereitschaft dazu spielt eine nicht unerhebliche Rolle. So ist beispielsweise eine ukrainische Frau nicht immer bereit, ihr Kind mit den Erreichen des ersten Lebensjahres sofort in einer Kindereinrichtung betreuen zu lassen, um selbst einer Beschäftigung nachzugehen, solange sie noch hofft, zeitnah in die Ukraine zurück kehren zu können.

Das Jobcenter setzt aktiv den „Job-Turbo“ um – auch für Ukrainer

Mit der Einführung des „Job-Turbo“ durch das Bundesarbeitsministerium sollen Flüchtlinge – darunter auch Ukrainer – gezielter und damit schneller in Arbeit gebracht werden. Ein wesentlicher Punkt ist, die Integration in Beschäftigung nun auch mit einfachen Sprachkenntnissen des Niveaus A2 oder B1 verstärkt in den Fokus zu rücken und umzusetzen. Konkret bedeutet dies im Jobcenter Bautzen, dass die bisherigen Integrationsbemühungen des Fallmanagers im Rahmen einer besonders intensiven bewerberorientierten Betreuung durch den Arbeitgeberservice des Jobcenters unterstützt werden. Rund 300 Bürgergeldbezieher mit Migrationshintergrund, darunter auch Ukrainer, werden auf diese Weise intensiv, ganzheitlich und fachübergreifend betreut.

Ziel ist es, so noch vor Erwerb umfassender Sprachkenntnisse die Vermittlung in Arbeit zu erreichen. Dabei werden zunächst aus dem vorhandenen Stellenpool passende Jobangebote gesucht (Matching) und im Rahmen einer engmaschigen Betreuung konkrete Jobvorschläge an die Flüchtlinge gesendet – auch mit dem Hinweis, dass bei einer Nichtannahme oder fehlender Mitwirkung die Leistungen gekürzt werden können. Zusätzlich erfolgen verstärkt Einladungen und Angebote zu Messen, Bewerbertagen und weiteren Informationsveranstaltungen. Dies wird begleitet von aktiver und intensiver Arbeitgeberansprache, Öffentlichkeitsarbeit und Organisation der entsprechenden Veranstaltungen.

Die Unternehmen sind aufgerufen, Geflüchtete verstärkt auch ohne gute Deutschkenntnisse zu beschäftigen und berufsbegleitend weiter zu qualifizieren. Die persönliche Beratung und Betreuung der geflüchteten Menschen im Jobcenter wird fortgesetzt, die Kontaktfrequenz hierbei jedoch deutlich erhöht. Die Bürgergeldbezieher mit Migrationshintergrund werden zudem konsequent aufgefordert und angehalten, an ihrer Integration in Beschäftigung aktiv mitzuwirken. Mögliche Rechtsfolgen bei fehlender Mitwirkungen werden aufgezeigt und umgesetzt. 

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